Jahrhundertealter Konflikt

Türkei und Armenien wollen sich versöhnen.

Die Türkei und Armenien wollen ihren
jahrhundertealten Konflikt überwinden und an der Aussöhnung arbeiten.
Wie das türkische Außenministerium am Mittwochabend mitteilte, haben
sich beide Regierungen unter Vermittlung der Schweiz auf eine "Road
map" zur Normalisierung ihrer Beziehungen geeinigt - "in gegenseitigem
Respekt und für die Förderung von Frieden, Sicherheit und Stabilität in
der gesamten Region", so die Vereinbarung.

Im Zentrum des Zerwürfnisses stehen bisher die Armenierverfolgungen im
Osmanischen Reich. Nach armenischer Darstellung wurden zwischen 1915
und 1923 rund 1,5 Millionen Armenier Opfer eines von den Osmanen
begangenen Völkermordes. Die Türkei spricht dagegen von je 200.000
armenischen und türkischen Opfern, die durch "Kriegswirren und
Krankheit" ums Leben gekommen seien.

Nun wollen beide Seiten die Frage der Armenierverfolgungen ausklammern.
Die Türkei hat vorgeschlagen, sie einer bilateralen
Historikerkommission vorzulegen. Damit wäre das kontroverse Thema
zunächst entschärft. Überdies hat sich Armenien offenbar bereit
erklärt, bisher im Raum stehende Gebietsansprüche in den türkischen
Provinzen Van und Kars fallen zu lassen.

Trotz der bilateralen Streitfragen war die Türkei einer der ersten
Staaten, die Armenien anerkannten, als sich das Land 1991 von der
Sowjetunion lossagte. Aber schon 1993 brach Ankara wegen Armeniens
militärischer Intervention in Bergkarabach die Beziehungen ab und
schloss die Grenze.

Gänzlich eingefroren sind die Beziehungen aber nicht. Zehntausende
armenische Gastarbeiter leben in der Türkei, es gibt regelmäßige
Flugverbindungen. Von einer Normalisierung würde nicht nur die
Wirtschaft in der Grenzregion profitieren. Armenien könnte über die
Türkei auch neue Handelskontakte zum Westen knüpfen.

Streitpunkt Bergkarabach

In Aserbaidschan stößt die türkisch-armenische Annäherung auf
Misstrauen: dort sah man bisher die Türken als wichtigste Verbündete im
Konflikt um Bergkarabach. Die Türkei unterstützt die Ansprüche
Aserbaidschans auf die überwiegend armenisch besiedelte, aber auf
aserbaidschanischem Gebiet gelegene Enklave. Armenien marschierte 1992
in Bergkarabach ein und hält außer der Enklave weitere zehn Prozent des
Territoriums von Aserbaidschan besetzt.

Aserbaidschan bekommt zudem als Energielieferant immer größere
Bedeutung: ohne Erdgas aus Aserbaidschan dürfte weder das
Nabucco-Pipelineprojekt zu realisieren sein, mit dem Westeuropa
unabhängiger von russischen Gaslieferungen werden will, noch eine
geplante Pipeline von der Türkei über Griechenland nach Italien. Das
türkische Außenministerium versichert denn auch, man werde nichts tun,
was die "aserbaidschanischen Brüder"betrübe. Man wolle eine Lösung, bei
der alle gewinnen.

http://www.fr-online.de/in_und_ausland/politik/aktuell/1731319_Jahrhunde...