Mit der Begründung, „es widerspräche dem besonderen
Gewicht der vom Grundgesetz geschützten Meinungsfreiheit, wenn die Bewertung
historischer Vorgänge, die einen Völkermord in Abrede stellen, generell als
Verunglimpfung des Andenkens der Opfer gewertet würden", hat das
Verwaltungsgericht den türkischen Genozidleugnern freigestellt, das Andenken
der Opfer eines allgemein als Völkermord anerkannten Verbrechens, offen zu verunglimpfen
und einen Hauptverantwortlichen des Verbrechens als Helden zu ehren.
In Deutschland wird bei Thema Genozidleugnung offensichtlich mit
zweierlei Maß gemessen: Strafbar machen sich diejenigen, die von einer
„Ausschwitzlüge" sprechen, straflos hingegen bleiben diejenigen die den
Völkermord an den Armeniern als „armenischen Genozidlüge" bezeichnen. Dabei hat
der Bundestag im Juni 2005 in einer einstimmig verabschiedeten Resolution nicht
nur festgestellt, dass die jungtürkische Regierung durch organisierte
Vertreibung und Vernichtung für die fast vollständige Vernichtung der Armenier
in Anatolien verantwortlich sei, sondern auch, dass das Deutsche Reich bei
dieser Vernichtungspolitik ihrer türkischen Verbündeten eine „unrühmliche
Rolle" gespielt habe.
Der Zentralrat der Armenier in
Deutschland hat bereits in den vergangenen Wochen entschieden für einen Verbot
der Aktivitäten und Kundgebungen der nationalistisch-faschistischen Kreise
plädiert. Die türkischen Genozidleugner versuchen durch Druck nicht nur die
Annullierung der im Juni 2005 Einstimmung durch den Bundestag beschlossenen
Resolution zu erzwingen, sondern wollen auch erhindern, dass der Völkermord an
den Armeniern im Geschichtsunterricht an deutschen Schulen behandelt wird.
Wir fragen uns welches
Selbstverständnis von Anti-Rassismus und Demokratie diejenigen haben, die
denken in Deutschland die Rechte der Türken damit verteidigen zu müssen, indem
sie die Anerkennung des Völkermords an den Armeniern als Ausdruck von
„Türken-Feindlichkeit" hinstellen.
Der ZAD begrüßt die Ankündigung der Berliner Polizei gegen den Beschluss
des Verwaltungsgerichts Berlin Beschwerde einzulegen. Wer nach der
Bundestagsresolution auf einer Demonstration in Berlin von einer „armenischen
Völkermordlüge" spricht und eine Annullierung der Resolution verlangt,
missachtet nicht nur das Andenken der 1,5 Millionen Opfer des Verbrechens,
sondern auch die Entscheidung eines demokratischen Parlaments. Auch wenn das
Grundgesetz der Meinungsfreiheit ein besonderes Gewicht einräumt, so kann dies
unmöglich bedeuten, dass Anhänger eines Massenmörders die Freiheit genießen,
ihn mit einer Kundgebung zu ehren und einen Völkermord in Zweifel ziehen. Wir
erwarten, dass das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg durch eine Aufhebung
der Entscheidung des Verwaltungsgerichts ein klares Signal setzt, dass
Genozidleugnung in Deutschland nicht geduldet wird.
Zentralrat
der Armenier in Deutschland e.V.
Frankfurt
15. März
2006