D: „Den Völkermord anerkennen“

Der Trierer Bischof Stephan Ackermann hat die Türkei ermutigt, den Genozid an den Armeniern „vorbehaltlos“ anzuerkennen. Bei der Gedenkveranstaltung zum 95. Jahrestag des Beginns des Völkermords forderte er in der Frankfurter Paulskirche „Aufklärung des Geschehens, verbunden mit einem ehrlichen und umfassenden Eingeständnis von Schuld und Versagen.“ Gleichzeitig widersprach er der These von der Kollektivschuld der damals lebenden Türken.

Ackermann ist innerhalb der Deutschen Bischofskonferenz für das Thema
Frieden zuständig. Bei dem Völkermord kamen ab 1915 zwischen 800.000 und
1,5 Millionen Menschen zu Tode. Ackermann sprach von einem
„Menschheitsereignis", an das auch heute erinnert werden müsse.
Ausführlich ging er auch auf die „Verstrickung Deutschlands in den
Völkermord an den Armeniern" ein, die „auch uns heutige Deutsche mit
Scham erfüllen" müsse. Zu der Gedenkstunde in der Frankfurter
Paulskirche hatten der Zentralrat der Armenier in Deutschland und die
Diözese der Armenischen Kirche in Deutschland eingeladen.

Hier
finden Sie den vollen Text der Ansprache von Bischof Ackermann in der
Paulskirche. Quelle ist die Deutsche Bischofskonferenz.
Bischof Dr.
Stephan Ackermann, Trier
Vorsitzender der Deutschen Kommission
Justitia et Pax
Ansprache bei der zentralen Gedenkfeier für die
Opfer des Genozids an den Armeniern am 24. April 2010 (Paulskirche,
Frankfurt am Main)
Exzellenzen,
meine sehr geehrte Damen und
Herren!
Ich bin dankbar für die Einladung, bei der heutigen
zentralen Gedenkfeier anlässlich des 95. Jahrestages des Beginns der
Deportation und Ermordung der Armenier, veranlasst durch die
jungtürkische Regierung des Osmanischen Reiches, mein Wort an Sie
richten zu dürfen. Ich spreche hier als Vorsitzender der Deutschen
Kommission Justitia et Pax, einer gemeinsam von den deutschen Bischöfen
und dem Zentralkomitee der deutschen Katholiken eingerichteten
Organisation für Entwicklungs-, Friedens- und Menschenrechts-fragen.
Zugleich spreche ich heute im Auftrag der Deutschen Bischofs-konferenz.
Deren Vorsitzender, Erzbischof Dr. Robert Zollitsch von Freiburg, hat
mich gebeten, Ihnen allen seine herzlich empfundenen Grüße und die
Anteilnahme der Bischöfe und der Katholiken in Deutschland am Schicksal
des armenischen Volkes auszurichten.
I.
Es hat lange gedauert -
bis in die 1990er Jahre hinein -, bis die Verbrechen an den Armeniern in
der internationalen Öffentlichkeit die ihnen angemessene Aufmerksamkeit
gefunden haben. Und noch immer gibt es viele, auch in Deutschland, die
die Ereignisse der Jahre 1915 bis 1918 kaum oder gar nicht wahrgenommen
haben. Aber Erinnerung tut Not. Und sie darf nicht allein Sache der
Armenier sein, die nach der Auflösung der Sowjetunion eigene
Staatlichkeit errungen haben, von denen viele aber über die Welt
verstreut in der Diaspora leben. Denn der Völkermord an den Armeniern
ist ein Menschheitsereignis. Die Armenier selbst nennen ihn das »große
Verbrechen«. Und dies darf nicht nur als Selbstwahrnehmung dieses Volkes
betrachtet und damit letztlich abgetan werden. Vielmehr muss dieser
Genozid in der Menschheitserinnerung und vor dem Menschheitsgewissen zu
den »großen Verbrechen« gerechnet werden. Ihrer nicht zu gedenken,
beschädigt das geschichtliche Gedächtnis der Menschheit überhaupt.
Amnesie ist keine Grundlage für Frieden und Versöhnung. Sie verhindert
jenes Lernen aus der Geschichte, zu dem die Menschheit - so hoffen wir
wider alle Rückschläge - schließlich doch befähigt ist.
Und mehr
noch: Wir dürfen es den potentiellen Täter von heute oder morgen nicht
erlauben, das Vergessen der Verbrechen und die Empfindungslosigkeit der
Welt gegenüber den Opfern in ihr zynisches Kalkül einzubeziehen. Dass
dies kein abstrakter Gedanke ist, wissen wir: Schließlich konnte Adolf
Hitler vor den Generälen der Wehrmacht und den Kommandeuren der SS
während der Vorbereitung des Vernichtungskrieges im Osten Europas
ausrufen: »Wer redet denn heute noch von der Vernichtung der Armenier?«
Wir,
die wir heute in der Paulskirche zusammengekommen sind, tun genau dies,
und wir tun es in innerer Verbundenheit mit allen, die weltweit an
diesem Tage gedenken: Wir reden über die Vernichtung großer Teile des
armenischen Volkes, damit Verschweigen und Vergessen nicht die Zukunft
dieses oder eines anderen Volkes verdunkeln. Wir setzen damit einen Weg
fort, der mit dem Schock über die am armenischen Volk verübten
Verbrechen begonnen und über die Nürnberger Prozesse bis zum
Internationalen Strafgerichtshof nach Den Haag geführt hat. Die
Vergegenwärtigung der Verbrechen der Vergangenheit soll uns helfen, den
Wunden der Gegenwart besser zu begegnen und die Gefahren der Zukunft zu
bestehen.
II.
Am 24. April 1905 beginnt der Albtraum des
armenischen Volkes mit einer vom Innenminister der jungtürkischen
Regierung des Osmanischen Reiches angeordneten Polizeiaktion. 235
führende armenische Persönlichkeiten werden im Rahmen einer Strafaktion,
mit der die türkische Regierung auf den Aufstand der armenischen
Bevölkerung in Van reagiert, zu nächtlicher Stunde verhaftet; viele
kehren nie zurück. Was anfänglich wie eine Fortsetzung der seit 1894 an
den Armeniern durchgeführten Massaker und Pogrome aussieht, entpuppt
sich in den kommenden Wochen und Jahren als ein monströses Verbrechen
von einer bis dahin ungekannten Dimension. Am 27. Mai wird die
Deportation der armenischen Bevölkerung aus ihren Siedlungsgebieten im
Osmanischen Reich verfügt. Wie viele Menschen auf dem Weg in die
Wüstenlager Der-es Sor, Homs, Hama und Mossul verdurstet und verhungert
sind, wie viele von regulären Truppen, paramilitärischen Gruppen,
Banditen oder auch von einer aufgehetzten türkischen Bevölkerung
erschlagen, erschossen oder in Flüssen ertränkt wurden, wie viele in den
Lagern, die von vorneherein nicht darauf ausgelegt waren, ein Überleben
zu ermöglichen, gestorben sind - über Zahlen mögen Historiker streiten.
Die Rede ist von 800.000 bis zu 1,5 Millionen Toten. Die exakten Zahlen
ändern indes nichts am Befund: Große Teile des armenischen Volkes
wurden ihrer angestammten Siedlungsgebiete beraubt, viele in ihrer
physischen Existenz ausgelöscht.
Man darf durchaus in Rechnung
stellen, dass sich die Regierung in Konstantinopel in der Situation des
Ersten Weltkriegs und in der Auflösungskrise des Osmanischen Reiches
durch manche politische Ambitionen in der armenischen Bevölkerung
bedroht fühlte. Eine Rechtfertigung für die systematische Vernichtung
eines ganzen Volkes lässt sich aus dieser Konfliktlage jedoch nicht
ableiten - und zwar nicht nur nach heutigen ethischen und rechtlichen
Standards. Schon den Zeitgenossen war die Ungeheuerlichkeit des
Geschehens deutlich, wie nicht zuletzt die Strafprozesse gegen die
Urheber gezeigt haben.
Es gibt auch keinen Grund, die Geschehnisse
in den Zusammenhang eines wechselseitigen Blutvergießens einzuordnen und
damit erinnerungspolitisch einzuebnen. Was immer auch an Gewalttaten
von Armeniern an Türken registriert werden mag: Der zielgerichtete Wille
zur Vernichtung eines anderen Volkes ging nur von einer Seite aus.
Der
Klarheit halber sei festgehalten: Von einer Kollektivschuld ist hier
nicht zu sprechen. Denn weder war das ganze türkische Volk an den
Untaten beteiligt, noch hat es sie, soweit es Kenntnis davon erlangte,
durchweg gebilligt. Es gibt nicht wenige beachtliche Fälle, in denen
Türken den Opfern geholfen haben oder helfen wollten. Doch auch dies
nimmt nichts weg von den Schrecken und Ungeheuerlichkeiten des
Völkermords an den Armeniern.
Die Fassungslosigkeit der Zeitgenossen
über das Geschehen setzt sich bis heute fort. Es liegt an uns - seien
wir Nachkommen der Opfer, der Täter oder der Zuschauer - dieses
Er-schrecken in ein neues Miteinander zu überführen und die offenen
Wunden, soweit wie möglich, zu heilen. Eine besondere Verantwortung
liegt dabei bei den Nachkommen der Täter.
III.
Man kann die
Politik des Genozids in ihrer inneren Dynamik wohl nur verstehen, wenn
man die europäische Ideologiegeschichte des 19. Jahrhunderts mit in den
Blick nimmt. Neben den freiheitlichen und den autoritär-restaurativen
Tendenzen wird man in vielen Teilen des Kontinents einer Politik des
völkischen Nationalismus ansichtig, der Gründung von Staaten und der
Begründung von Nationen auf der Basis ethnisch-kultureller
Zusammengehörigkeit, die sich ausdrücklich in Abgrenzung zu den anderen
definiert. Es entsteht die Idee des homogenen Nationalstaats, der sich
seiner Legitimität nicht selten mit Hilfe von Gründungsmythen des
eigenen Volkes versichert. Das Zusammenleben von Menschen verschiedener
Religion, Kultur oder ethnischer Herkunft und Zugehörigkeit erscheint in
dieser Denk- und Lebenswelt immer weniger wünschenswert und möglich.
Das Fremde, sei es real oder bloß imaginiert, soll ausgegrenzt, ja
ausgetrieben werden. So gesellt sich neben die von liberalem Geist
inspirierte Emanzipation der Juden ein rassistisch motivierter Hass
gegen die Juden, der in Deutschland in die Shoa mündet. Und so wanken in
der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts die Vielvölkerstaaten der Habsburger
Monarchie und des Osmanischen Reiches, um im Zuge des Ersten Weltkriegs
zu kollabieren. Mit dem Völkermord an den Armeniern zeigt der moderne
Nationalismus zum ersten Mal sein vertreibungswütiges Gesicht. Die
Wunden, die diese Gewalt- und Schuldgeschichte geschlagen hat, wirken
bis heute nach. Geheilt sind nur wenige. Denn eine Heilung kann es ohne
Erinnerungsbereitschaft auch der Täter und ihrer Nachkommen nur schwer
geben. Der Weg der Versöhnung bedarf der Wahrheit und des Willens zur
Wahrheit.
IV.
Zu dieser Wahrheit gehört auch die Verstrickung
Deutschlands in den Völkermord an den Armeniern, die bis heute im
allgemeinen Bewusstsein keinen angemessenen Niederschlag gefunden hat.
Bekanntlich war die Regierung in Berlin vor allem durch die Berichte des
Theologen und Orientalisten Johannes Lepsius sehr früh über die
grausamen Entwicklungen im Bilde. Aber abgesehen von vereinzelten
diplomatischen Mahnungen gab es keine ernsthafte Reaktion auf das
Ungeheuerliche. Für das Handeln der deutschen Reichsregierung war allein
deren eiskaltes Interessenkalkül bestimmend. »Unser einziges Ziel«, so
sagte Reichskanzler Bethmann Hollweg, als die Verbrechen an den
Armeniern im Reichstag zur Sprache kamen, »unser einziges Ziel ist, die
Türkei bis zum Ende des Krieges an unserer Seite zu halten,
gleichgültig, ob darüber die Armenier zu Grunde gehen oder nicht.« Diese
Politik der Kaltschnäuzigkeit und Gefühllosigkeit hat Deutschland
mitschuldig werden lassen an dem, was den Armeniern widerfahren ist. Sie
muss auch uns heutige Deutsche mit Scham erfüllen. Der Wahrheit über
unsere Anteile an dem Verbrechen haben wir uns verantwortungsvoll zu
stellen. Dies schließt sowohl eine verlässliche und ernsthafte
Auseinandersetzung mit dem Geschehen als auch eine angemessene
Zurückhaltung bei der Schuldzuweisung an Andere mit ein. Es gilt, im
Geist der Versöhnung die Gewalt- und Schuldgeschichte zur Sprache zu
bringen und damit die unheilvolle Sprach- und Anteilslosigkeit zu
überwinden. Der Verzicht auf ein allzu selbstgewisses Auftrumpfen steht
uns Deutschen dabei gut zu Gesicht.
Diese angemessene Zurückhaltung
meint aber nicht, dass es uns erlaubt wäre, uns hinter einer Haltung
scheinbarer Demut zu verstecken, um die brennenden Unversöhntheiten,
Unwahrheiten und Ungerechtigkeiten eben nicht ansprechen zu müssen. Es
gilt, der Jahrzehnte langen Leugnung und Bagatellisierung dieses
Völkermords ein Ende zu bereiten. Denn, um es mit dem Apostel Paulus zu
sagen, wenn ein Glied leidet, so leidet der ganze Körper (vgl. 1 Kor
12,26). Die leidvolle Geschichte des armenischen Volkes fand viel zu
selten offene Ohren und offene Herzen. Es hat viel zu lange gedauert,
bis die Welt und auch Deutschland begannen, sich dafür zu interessieren.
Kann es daran liegen, dass die Geschichte des Völkermords an den
Armeniern so viele schmerzhafte Einsichten auch über unsere Gegenwart
enthält? Sind nicht die politischen Denkmuster, die strategischen
Rücksichtnahmen und Zurückhaltungen, in deren Halbschatten große
Verbrechen faktisch toleriert werden, nach wie vor virulent?
Wenn
wir heute des Völkermords an den Armeniern gedenken, so erinnern wir uns
auch der ihm folgenden Bemühungen, das kulturelle Erbe des armenischen
Volkes in Anatolien zu beseitigen. Wir denken an die unzähligen
armenischen Monumente, Kirchen und Friedhöfe, die diesen kulturellen
»Säuberungen« zum Opfer gefallen sind. Die mentalen und kulturellen
Auswirkungen dieser Zerstörungen sind bis heute spürbar. Sie stellen ein
schweres Vergehen am armenischen Volk und am Erbe der Menschheit dar.
Und so ist es höchste Zeit, dass dies ein Ende hat und die
internationale Staatengemeinschaft gemeinsam mit der Türkei mittlerweile
Anstrengungen unternimmt, die noch vorhandenen Schätze zu bewahren.
Hier geht es um mehr als um die Sicherung musealer Bestände. Es geht um
die Einübung in jene respektvolle Grundhaltung gegenüber dem mir
vielleicht unverständlichen Fremden, die für die Entwicklung eines
friedlichen Zusammenlebens aber unerlässlich ist.
V.
Erlauben
Sie mir noch einige Worte zum Streit um die Verwendung des Begriffs
»Völkermord« im Kontext der Massaker an den Armeniern. Dieser Streit
zieht sich bekanntlich seit Jahren hin. Er wird in der Öffentlichkeit
vieler Länder, in Kommissionen und Parlamenten ausgefochten. Zunächst
wird man sagen müssen, dass die Geschichte des armenischen Volkes gerade
durch diese Diskussionen endlich die Aufmerksamkeit erhält, die ihr
zusteht. Und ich habe großes Verständnis dafür, dass nicht nur die
Armenier selbst bestrebt sind, mit dem Begriff des Völkermords der
Jahrzehnte langen Bagatellisierung und Leugnung des Geschehens einen
Riegel vorzuschieben. Auch die erdrückende Faktenlage erlaubt es, von
einem Genozid zu sprechen. Auch ich tue es hier.
Dennoch frage ich
mich, ob die Zuspitzung auf diese Frage, die letztlich die Historiker
entscheiden sollen, nicht allzu oft eine tiefere Auseinandersetzung
behindert. Denn wären die Opfer weniger furchtbar, wären die Wunden
weniger tief, wenn es sich - in Anführungs-zeichen gesetzt: - »nur« um
monströse Massaker gehandelt hätte? Gewiss nicht! Würden die Jahrzehnte
der Beschönigung und der Bestreitung dieses »Groß-Verbrechens«
gerechtfertigt sein, wenn man zu dem Schluss käme, es habe sich nicht um
einen Völkermord im Sinne der UN-Konvention gehandelt? Sicherlich
nicht! Deshalb sage ich und wende mich dabei vor allem an unsere
türkischen Partner: Worum es auch jenseits des Streits um juristische
Begriffe gehen muss, ist die vorbehaltlose Anerkennung und Aufklärung
des Geschehens, verbunden mit einem ehrlichen und umfassenden
Eingeständnis von Schuld und Versagen. Dies ist ein Gebot der
Wahrhaftigkeit und der Gerechtigkeit. Dies ist den Opfern und auch dem
friedlichen Zusammenleben der kommenden Generationen geschuldet.
Wer
diesen Weg beschreitet, wird nicht sein Gesicht verlieren. Vielmehr: Er
wird es zurückgewinnen. Darum ist es gut, wenn Türken und Armenier in
gemeinsamen Historiker-kommissionen endlich das Gespräch suchen. Ich
sage das auch im Hinblick auf die jüngst bekannt gewordene Entscheidung
des armenischen Präsidenten, die zwischen der Türkei und Armenien
unterzeichneten Protokolle »einzufrieren«. Der umfassende Zugang zu den
einschlägigen Archiven gibt einem solchen Austausch, der von der
gemeinsamen Suche nach der Wahrheit und nicht von Rechthaberei geprägt
sein sollte, die notwendigen materiellen Grundlagen.
Umso
erfreulicher ist es zu sehen, dass - trotz aller Vorbehalte von
offizieller Seite - in der Türkei die Bereitschaft wächst, mit den
Traditionen der Lüge und der Verdrängung zu brechen. Wir wissen aus
unseren eigenen deutschen Erfahrungen, wie schwierig es ist, sich den
schmerzhaften Wahrheiten über die Geschichte des eigenen Volkes zu
stellen. Karl Jaspers hat dazu 1945 weitsichtig und zutreffend
festgestellt: »Dieser Weg ist der einzige, der unsere Seele vor dem
Pariadasein bewahrt. Was sich auf ihm ergibt, müssen wir sehen. Es ist
ein geistig-politisches Wagnis am Abgrund. Wenn Erfolg möglich ist, dann
nur auf lange Fristen.«
Es gehört zu den Aufgaben der
internationalen Gemeinschaft, diesen Prozess des Gesprächs, der
Wahrheitssuche und der wachsenden Annäherung zu unterstützen. Geduld,
Beharrlichkeit und Vertrauen in die Sehnsucht der Menschen nach einer
Versöhnung, die mehr ist als nur ein müder modus vivendi über den
Gräbern der vergangenen Generationen, sind dabei unverzichtbare
Tugenden. Solange wir uns nicht mit den offenen Wunden abfinden, solange
besteht Hoffnung, dass wir zu einer Heilung der gestörten Beziehungen
beitragen können. Solange besteht auch Hoffnung, dass eines Tages
Völkermorde und ethnische Säuberungen wirklich der Vergangenheit
angehören. Das Gedenken an den Völkermord an den Armeniern schärft
unseren Blick und bestärkt uns, auf diesem langen Weg nicht
nachzulassen.