Wie Deutschland trage auch die
Türkei eine schwere historische Last,
sagte Grass nach Presseberichten bei einem Besuch in Istanbul. Er
erinnerte an den Kniefall des damaligen Bundeskanzlers Willy Brandt an
der Gedenkstätte des Warschauer Ghettos im Jahr 1970. Für die Türkei sei
die Zeit für eine ähnliche Geste gekommen, sagte Grass.
Bei
Massakern und Todesmärschen in der Endphase des Osmanischen Reiches
waren bis zu 1,5 Millionen Armenier getötet worden. Armenien und ein
Großteil der internationalen Forschung bewertet die Massaker als
Völkermord, eine Bezeichnung, die die Türkei strikt ablehnt. Grass
betonte, er benutze den Begriff absichtlich nicht, weil die Türkei
selbst entscheiden müsse, wie die Ereignisse zu benennen seien.
Der
Schriftsteller erinnerte daran, dass auch in Deutschland die
Auseinandersetzung mit der Nazi-Vergangenheit nicht einfach gewesen sei.
Er wolle, dass die Türkei ebenfalls ihre Tabus überwinde. Grass hält
sich im Rahmen eines vom Goethe-Institut organisierten literarischen
Begegnungsprogramms in Istanbul auf. Am Bosporus traf er unter anderem
mit dem türkischen Schriftsteller Yasar Kemal zusammen.