LEPSIUSHAUS POTSDAM

Der Zentralrat der Armenier in Deutschland ist seit Tagen in intensiven Gesprächen mit dem Lepsiushaus. Es geht dabei u.a. um eine Mitteilung aus Potsdam, dass Prof. Goltz an einer türkisch-armenischen Historikerkommission teilnehmen werde, und neuerdings um die Ankündigung einer Veranstaltung zum “Pogrom von 1915”. Nachfolgend veröffentlichen wir unser Schreiben und das Schreiben der Gruppe 24April an das Lepsiushaus. Wir gehen davon aus, dass die Verantwortlichen die Fehler korrigieren und alle Missverständnisse ausräumen werden. Wir betonen, dass uns an einer gedeihlichen und ertragreichen Zusammenarbeit mit der Forschungs- und Gedenkstätte in Potsdam sehr gelegen ist, und wir hoffen dass diese Arbeit auch in Zukunft reiche Früchte tragen wird. Das allerdings bedeutet, dass das Lepsiushaus nun Klarheit schaffen muss. Wir sind aber, so denken wir, in unseren Gesprächen schon ein gutes Stück voran gekommen. Mit besten Wünschen - Vorstand des Zentralrats der Armenier in Deutschland - Anhänge

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~

 

Lepsiushaus Potsdam und der Genozid an den Armeniern

Lepsiushaus
Potsdam                                                        

Förderverein Lepsiushaus Potsdam

Gutenbergstr. 71/72

14467 Potsdam

Betreff: Antrag auf Einberufung einer außerordentlichen
Mitgliederversammlung

Sehr geehrter Herr Prof. Goltz,

sehr geehrte Damen und Herren,

hiermit beantragen wir eine außerordentliche
Mitgliederversammlung des Fördervereins Lepsiushaus Potsdam e.V. mit
folgenden
Tagesordnungspunkten:

1. Missbilligung der Mittäterschaft des Lepsiushauses in
einer sogenannten türkisch-armenischen Historikerkommission 2.
Diskussion des
vorgelegten Jahresprogramms 2010 des Lepsiushauses.

Das Lepsiushaus sieht sich dem Auftrag verpflichtet, zur
Versöhnung zwischen den Tätern und den Opfern des Völkermords von 1915
beizutragen.

Das steht in Übereinstimmung mit der Bundestagsresolution
aus dem Jahre 2005, das steht ebenso in Übereinstimmung mit unseren
Überzeugungen.
Wir allerdings verstehen darunter keine politischen Spielchen, die am
Ende
immer zugunsten der Macht enden müssen. Wir verstehen unter Versöhnung
einen
Prozess, der auf der Basis gegenseitigen Respekts zunächst einmal
Anerkennung
bedeuten muss. Solange die Anerkennung des Völkermords nicht ansatzweise
erkennbar ist, bleibt eine Versöhnung undenkbar: Es gibt ja keinen
Gegenstand,
über den Versöhnung zu erreichen sein sollte!

Die sogenannte türkisch-armenische Historikerkommission,
die seit Jahren von türkischer Seite gefordert wird, ist ein politisches
Instrument, das allein ein Ziel verfolgt: Die Anerkennung des
Völkermords an
den Armeniern durch die Türken endgültig von der politischen Agenda zu
fegen.
(Der türkische Ministerpräsident: Muslime können keinen Völkermord
begehen.)

Wenn das Lepsiushaus nun eine türkische Einladung zu
einer solchen Kommission annehmen will, konterkariert dies unsere
Jahrzehnte
langen Bemühungen um Anerkennung. Das Lepsiushaus, dem wir uns bisher
freundschaftlich verbunden fühlen, würde damit einen dramatischen
Schwenk
seiner bisherigen Arbeit verrichten und die Sicht der Türkei zu seiner
Sache
machen. Es gibt noch viel zu forschen - an der Faktizität des
Völkermords kann
es keinen Zweifel geben. Was also wäre die Aufgabe einer solchen
Kommission,
wenn nicht die Untermauerung türkischer Desinformationspolitik und die
Akzeptanz der türkischen Holocaustlüge - notfalls per
Mehrheitsbeschluss?

Sie können sich das Maß unserer Enttäuschung nicht
vorstellen.

Wir beantragen daher diese außerordentliche
Mitgliederversammlung, um in letzter Minute für Ihre Einsicht zu werben
und
damit die bisherige konstruktive Zusammenarbeit unserer Organisationen
zu retten.

Wie dringend erforderlich eine generelle Diskussion Ihrer
Positionen ist, geht auch aus dem jüngst vorgelegten Jahresprogramm
hervor.
Lassen Sie uns nur ein weiteres winziges Detail erwähnen: Sie bezeichnen
Soghomon Gevorki Soghomonian - Komitas Vardapet in Ihrem Programm als
„türkisch-armenischen Komponisten" und suggerieren einem nicht
eingeweihten
Publikum eine harmonisch binationale Identität dieses wunderbaren
Künstlers. In
Wahrheit ist er natürlich ein armenischer Künstler, der von den Türken
in den
Wahnsinn und in einen elenden Tod getrieben wurde. Bitte missbrauchen
Sie
diesen Namen nicht länger für Ihr 
Versöhnungsvokabular.

Mit freundlichem Gruß

 

Vorstand des Zentralrats der Armenier in Deutschland

Frankfurt am Main

20.01.2010

 

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~

 

Gruppe24April, Allensteiner Str. 5, D-50735 Köln

Eine Initiative des Zentralrats der Armenier in Deutschland und der
Diözese der Armenisch-Apostolischen Kirche in Deutschland


17. Januar 2010
Lepsiushaus Potsdam e. V.
Förderverein Lepsiushaus Potsdam
Gutenbergstr. 71/72
14467 Potsdam


Sehr geehrter Herr Prof. Goltz,
sehr geehrte Damen und Herren,


seit etlichen Jahren bemühen wir uns um eine Aufarbeitung des
Völkermords an den Armeniern durch die
Türkei und um Aufklärung der Öffentlichkeit in Deutschland über die
Ereignisse von 1915 und die furchtbaren
Folgen für die armenische Seele. Dabei haben wir immer im Blick, dass es
eines Tages eine Versöhnung von
Tätern und Opfern geben muss.


Ein solcher Täter-Opfer-Ausgleich aber ist grundsätzlich nur möglich,
wenn beide Seiten zumindest ansatzweise
ihre eigene Geschichte akzeptieren. Was sollte die Versöhnung sonst wohl
leisten, wenn sie das Erinnern
ausblendet?


In unserer Arbeitsgruppe, einer Initiative des Zentralrats der Armenier
in Deutschland und der Diözese der
Armenischen Kirche in Deutschland, gab es nie einen Zweifel, dass die
Anerkennung des Völkermords durch
die internationale Gemeinschaft und durch die Türkei selbst erst die
Basis zu einer wirklichen inneren
Versöhnung schaffen kann.


Wir sind erschüttert, in Ihrem Jahresprogramm 2010 zu lesen: "Der
Vorstand des LEPSIUSHAUS POTSDAM
e. V. nimmt für 2010 (ff.) die Einladung der türkischen Regierung an
ausländische Wissenschaftler an, in der
türkisch-armenischen Geschichtskommission mitzuwirken." Die Türkei
fordert diese Kommission seit Jahren,
um das Thema endgültig vom Tisch zu bekommen - eine sehr erfolgreiche
Variante der Diplomatie:
unangenehme Themen in eine Kommission zu geben und sie dort bis zu
St.-Nimmerleinstag schmoren zu
lassen. Am Ende steht irgendwann ein Mehrheitsbeschluss, dem sich gute
Demokraten natürlich beugen
müssen... Die Mehrheit steht selbstverständlich da, wo die Macht zu
Hause ist. Geht Geschichte so?


Tatsächlich waren wir bisher der Meinung, dass kein ernst zu nehmender
(nicht-türkischer) Historiker die
Faktizität des Genozids von 1915 in die Entscheidungsmacht einer solchen
staatlich kontrollierten Kommission
geben würde. Geschweige denn, dass er sich an einer solchen Kommission
beteiligte. Offenbar haben wir uns
geirrt. Sie, verehrter Herr Prof. Goltz, wollen dieses Spiel mitspielen.


Wir haben in Ihnen bisher einen Freund der Armenier gesehen, der
Tradition des Johannes Lepsius und den
moralischen Forderungen eines großen Menschheitsverbrechens
verpflichtet. Haben wir uns geirrt? Wir können
Sie nur bitten, die Einladung zur Mitwirkung an einer globalen
türkischen Desinformationskampagne zurück zu
weisen.

Die irritierenden - und bedingungslosen - Versöhnungsangebote, die Sie
darüber hinaus Ihrem türkischen
Publikum mit dem gesamten Jahresprogramm des Lepsiushauses machen,
lassen uns einen grundsätzlichen
Diskurs zum Thema „Erinnern und Versöhnen" dringend erforderlich zu
machen. Wir sind dazu gern bereit.


Mit freundlichen Grüßen


Gruppe 24April