Schon im Vorfeld hatte der ZAD scharf vor einer
Verabschiedung dieses "Protokolls" gewarnt und stattdessen einen Dialog beider
Länder ohne Vorbedingungen gefordert. In einem solchen Prozess hätten die
angestrebten Erleichterungen im Personen- und Handelsverkehr erreicht werden
können, ohne dass grundlegende Fragen unter den Teppich gekehrt würden.
Der ZAD
erinnert daran, dass es die Türkei war, die die Grenzen nach Armenien einseitig
geschlossen hatte. Die Armenier in Deutschland - wie in der gesamten Diaspora -
lehnen das Vertragswerk entschieden ab, weil es einerseits auf die Anerkennung
des Völkermords von 1915 durch die Türkei verzichtet und weil es andererseits
das Selbstbestimmungsrecht der armenischen Bevölkerung von Berg-Karabagh
desavouiert.
Der ZAD-Vorsitzende Schwarsch Owassapian: "Solange die Türkei sich
nicht endlich zu dem Völkermord im osmanischen Reich bekennt und mit der
historischen Aufarbeitung dieses Menschheitsverbrechens beginnt, kann es keine
Normalisierung geben. Und wenn die Türkei nur wenige Stunden nach der
Unterschrift Forderungen nach einer Rückabwicklung unserer alten armenischen
Provinz Berg-Karabagh nach Aserbeidschan nachreicht, beweist dies nur, dass
dieses Land an einer nachhaltigen Annäherung überhaupt nicht interessiert ist.
Die Unterzeichnung des Vertragswerks ist eine einzige Farce." Bittere Kritik
richtet der ZAD vor allem gegen die im
Abkommen benannte und von der Türkei schon lange geforderte
internationale Historikerkommission, die die Vernichtung der Armenier im ersten
Weltkrieg untersuchen soll. Owassapian: "Das ist eine perverse Idee, die einzig
und allein dazu dienen soll, dieses Thema von der politischen Agenda zu nehmen
und der Türkei einen Pluspunkt im EU-Fortschrittsbericht zu sichern. Der
Genozid an den Armeniern ist in der internationalen Zunft der Historiker
unbestritten und von vielen Ländern und Organisationen längst anerkannt. Die
Türken und wir Armenier können von den Deutschen lernen. Hier käme niemand auf
die menschenverachtende Idee, einer Historikerkommission die Frage
anzuvertrauen, ob Auschwitz ein historischer Fakt oder eine jüdische Phantasie
sei.Erst die Anerkennung der schrecklichen Fakten hat Deutschland nach den
Krieg die Rückkehr in die internationale Gemeinschaft ermöglicht."
Der ZAD
bedauert zudem, das ausgerechnet der amerikanische Präsident nun seine
Außenministerin geschickt hat, um dieses Abkommen unter Dach und Fach zu
bringen. Noch kurz vor seiner Wahl hatte Barack Obama die Anerkennung des
Völkermords an den Armeniern durch die Vereinigten Staaten von Amerika zu einem
der Essentials seiner zukünftigen Politik erklärt. Der Zentralrat appelliert
erneut an den Friedensnobelpreisträger, dieses Versprechen nun auch einzulösen.
Das Vertragswerk von Zürich schadet, so das Fazit des ZAD, mehr als es nützt.
Die Ratifizierung in den Länderparlamenten ist höchst fragwürdig und so sei zu
befürchten, dass Erleichterungen im Grenzverkehr eher länger auf sich warten
ließen, als es ohne dieses Abkommen möglich gewesen wäre. Die Menschen
beiderseits der Grenzen werden es ausbaden müssen.
ZENTRALRAT DER ARMENIER IN DEUTSCHLAND
Der Vorstand
Frankfurt, 12.Oktober 2009