Ginge es nach dem Willen der Türkischen Gemeinde Deutschland (TGD), der
bekanntesten Interessenvertretung türkischstämmiger Einwanderer, dann
würde das Lepsius-Haus in Potsdam nicht vor dem Verfall gerettet und
schon gar nicht zu einer Gedenkstätte ausgebaut. In einem Brief an die
Bundesregierung protestierte der Vorsitzende nach eigenen Angaben bei
der Bundesregierung gegen die in Aussicht gestellten Bundesmittel zur
Sanierung.
Was erregt den deutsch-türkischen Verein so, dass
er sich anklagend einschaltet, wenn das Haus des 1926 verstorbenen
Johannes Lepsius saniert werden soll, damit, neben Arbeiten im Archiv,
dort künftig internationale, auch türkisch-armenische Begegnungen
stattfinden können? Nun, Pfarrer Lepsius, Forscher, Missionar und
Historiker, dokumentierte den Völkermord an den Armeniern in der Türkei
1915/1916. Er war derjenige, der über die Massaker das meiste wusste
zur damaligen Zeit. Ihm verdanken wir auch diskrete Fingerzeige zu
einer deutschen Mitschuld durch bewusstes Wegsehen.
Es ist
ungut, dass die Türkische Gemeinde sich so unverhohlen zum Lautsprecher
türkischer Regierungsstellen macht. Das passiert zwar nicht zum ersten
Mal, aber diesmal geht es um einen Grundsatz, der in Deutschland nicht
Spielball sein darf für platte Interessenpolitik. Die eigene Geschichte
hat uns gelehrt, politische Verbrechen, auch wenn sie zwei oder mehr
Generationen zurückliegen, im kollektiven Gedächtnis zu speichern,
unlöschbar. Schuld und Scham wachzuhalten, ist ohnehin wenig, aber es
kann Mitleiden ausdrücken. Das ist wichtig für die Überlebenden und für
das Denken an die Opfer.
All das wissen die
Verbandsfunktionäre der TGD, denn sie haben an öffentlichen
Gedenkveranstaltungen teilgenommen. Aber haben sie den Sinn verstanden?
Ich bezweifle es. Wie sonst könnten sie immer wieder versuchen, ihre
anhaltend türkischgeprägte Sicht in Deutschland zum Maßstab zu machen,
wenn es um die Geschichte der Armenier geht?
Der türkische
Nobelpreisträger Orhan Pamuk wurde politisch bedrängt, weil er den
Völkermord beim Namen nannte; Hrant Dink, der türkisch-armenische
Journalist wurde dafür 2007 in der Türkei ermordet. Die Türkische
Gemeinde in Deutschland hätte außer einem Rüffel von türkischer Seite
nichts zu fürchten, wenn sie einfach nur schwiege in Sachen
Lepsius-Haus und Erwähnung des Massakers in Brandenburgischen
Schulbüchern. Das wäre ein erster winziger Schritt in Richtung einer
europäischen Erinnerungskultur.