Hohe Ehre für den Pionier der Genozidforschung: RUB-Forscher Mihran Dabag mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet

Für seine herausragenden Verdienste um die Erforschung von Völkermorden erhielt Prof. Mihran Dabag am 18.6. das Bundesverdienstkreuz am Band. Dabag baute das deutschlandweit einzigartige Institut für Diaspora- und Genozidforschung an der Ruhr-Universität mit auf und leitet es seit 1994.

Vor 15 Jahren gegründet, ist das Institut für Diaspora- und
Genozidforschung (IDG) an der Ruhr-Universität Bochum bis heute die
einzige wissenschaftliche Einrichtung in Deutschland, die sich gezielt
mit strukturvergleichenden Forschungen zu kollektiver Gewalt und
Völkermord beschäftigt. Für seine herausragenden Verdienste um den
Aufbau und die Leitung des Instituts erhielt Prof. Dr. Mihran Dabag
heute in Düsseldorf das Bundesverdienstkreuz am Band, verliehen durch
NRW-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (in Vertretung des
Bundespräsidenten). Mit seinen Forschungsarbeiten und insbesondere mit
der Gründung des IDG hat Prof. Dabag entscheidend dazu beigetragen, ein
neues Forschungsfeld in der deutschen Wissenschaftslandschaft zu
etablieren und zu institutionalisieren. "Seine Ergebnisse sind heute
die Grundlage für wissenschaftliche Vergleiche von Völkermorden. Seine
Arbeit gab der Trauma-Forschung richtungweisende Impulse", heißt es in
der Laudatio.

Ein weites Feld: Völkermord, Diaspora, Traumata

Die Ursachen, Mechanismen und Auswirkungen von Völkermord sind das
zentrale Forschungsfeld des fachübergreifend ausgerichteten, national
und international renommierten Instituts - erweitert um Untersuchungen
zu den Gemeinschaften, die nach der Erfahrung von Vertreibung und
Vernichtung in einem fremden gesellschaftlichen und kulturellen Umfeld
leben (Diasporaforschung) und Arbeiten zu den traumatischen Folgen von
Verfolgung, Gewalt und Genozid (Traumaforschung). "Professor Mihran
Dabag hat in seiner Forschung verschiedene Disziplinen zusammengebracht
und wichtige Theorien erarbeitet, auch weil er ein gesellschaftliches
Ziel verfolgt. Er fragt nach den Ursachen von manchen der
schrecklichsten Geschehnisse der Menschheit, damit wir sie jetzt und in
Zukunft verhindern können", so Ministerpräsident Rüttgers in seiner
Festrede in der Düsseldorfer Staatskanzlei.

Schwerpunkte: Von der Nationenbildung bis zur Erinnerung

In seinen Forschungsarbeiten und zahlreichen Publikationen beschäftigt
sich Prof. Dabag insbesondere mit der Theorie strukturvergleichender
Genozidforschung, mit dem Prozess der Nationenbildung, dem Zusammenhang
von Nationalismus, Kolonialismus und Gewaltpolitik, mit der Ideologie
der Jungtürken, dem Völkermord an den Armeniern sowie mit Fragen des
kollektiven Gedächtnisses und kollektiver Erinnerung. Als Initiator und
Herausgeber der Publikationsreihe "Genozid und Gedächtnis" sowie der
seit 1999 halbjährlich erscheinenden "Zeitschrift für Genozidforschung"
hat Dabag zudem Foren geschaffen, in denen Wissenschaftler neue
nationale und internationale Forschungsbeiträge zu den Strukturen,
Formen und Folgen von kollektiver Gewalt veröffentlichen und
diskutieren. Für seine Forschungen über die Verfolgung, Vertreibung und
Vernichtung der Armenier 1915/16 im Osmanischen Reich sowie für den
Aufbau des IDG wurde Mihran Dabag im Jahr 2003 bereits mit dem
Franz-Werfel-Menschenrechtspreis ausgezeichnet.

Vita Mihran Dabag

Mihran Dabag, geboren 1944 in Diyarbakir, Türkei, studierte
Philosophie, Soziologie, Politologie und Geschichtswissenschaft in Bonn
und Bochum. Er wurde an der RUB promoviert mit einer Arbeit über die
Geschichtsphilosophie Karl Löwiths. Dabag beschäftigte sich u.a. am
Bochumer Institut für Entwicklungsforschung und Entwicklungspolitik
(IEE) mit Fragen der Konfliktforschung; an der Sektion für
Sozialpsychologie und Sozialanthropologie (Fakultät für
Sozialwissenschaft) leitete er gemeinsam mit Kristin Platt ein "Oral
Project", in dem narrative Interviews mit Überlebenden des Völkermords
an den Armeniern geführt und ausgewertet wurden. 1994 gründete er das
Institut für Diaspora- und Genozidforschung und leitet es seitdem als
Direktor. Im Jahr 2006 wurde Dabag zum Professor am Historischen
Institut der Ruhr-Universität berufen.

 




http://www.pm.ruhr-uni-bochum.de/pm2009/msg00185.htm