Charles Aznavour ist das, was man etwas übertrieben einen Workaholic
nennen könnte. Schon öfters hatte sich der französische Chansonier von
der Bühne verabschiedet. Abschiede, die jedoch keine waren. "Ich habe
es probiert, ich habe mehrere Abschiedstourneen gegeben. Vergeblich.
Die Arbeit hält mich jung und am Leben", sagte die Ikone des
französischen Chansons vor kurzem. Und an Arbeit fehlt es dem
Allround-Talent nicht. Ende Mai nimmt er in Los Angeles ein Jazz-Album
auf, davor hat er noch einen kurzen Auftritt auf dem Filmfestival in
Cannes und dazwischen macht er etwas Politik. Denn der in Paris als
Sohn armenischer Flüchtlinge geborene Künstler, der am 22. Mai 85 Jahre
alt wird, ist Anfang Mai offiziell zum armenischen Botschafter in der
Schweiz ernannt worden.
Das Wort Ruhestand ist für den grauhaarigen Künstler wie ein rotes
Tuch. "Was soll ein Mann denn zu Hause. Er ist nutzlos. Also arbeite
ich weiter. Arbeit ist mein Leben", erzählte der jung gebliebene
Musiker, der nicht nur in fünf Sprachen singt, sondern auch mindestens
vier Berufe hat: Chansonier, Schauspieler, Komponist und seit kurzem
Diplomat. Ein Metier, in dem er sich schon seit einigen Jahren übt:
1993 wurde er vom armenischen Präsidenten zum "Sonderbotschafter für
humanitäre Aktionen" ernannt und 1995 bestellte ihn auch die Unesco zum
Sonderbotschafter für Armenienl
Der Künstler wird gerne "der französische Frank Sinatra" genannt. Er
schrieb über tausend Songs und verkaufte weltweit mehr als hundert
Millionen Alben. Seine größten Erfolge waren "Du lässt dich gehen",
"Spiel Zigeuner" und "Ich frag mich warum". Hunderte Platten kamen als
CD heraus und waren nicht weniger erfolgreich. Mit seiner immer noch
unverwechselbaren rauen Stimme singt Aznavour Lieder über Liebe,
Familie, Randgruppen und sein Armenien.
Im Rahmen seiner Unterstützungsaktion für die Erdbebenopfer von
Armenien brachte er das Lied "Pour toi, Armenie" (Für dich Armenien)
auf den Markt, das auf den ersten Platz der französischen Charts
schnellte. Bereits als Knirps sang er den Gästen im Restaurant seiner
Flüchtlingseltern im Pariser Quartier Latin armenische Lieder vor und
stand als Neunjähriger erstmals auf der Bühne. Denn das künstlerische
Talent war ihm bereits in die Wiege gelegt. Aznavours Vater Mischa war
eigentlich Bariton und seine Mutter, der Abstammung nach Georgierin,
Schauspielerin.
Sein ganzes Leben lang hat der Künstler im Umfeld der Bühne
verbracht. Die Anfänge waren jedoch schwer. Die Franzosen störten sich
an seiner rauen Stimme und an seiner Körpergröße von 1,61, die er mit
Napoleon gemeinsam hat. Den endgültigen Durchbruch schaffte er in
Frankreich erst zu Beginn der 60er Jahre nach seiner Trennung von Edith
Piaf, für die er zahlreiche Chansons geschrieben hat.
Mit derselben Leidenschaft, mit der Aznavour Musik macht und
schreibt, drehte er Filme. Als Schauspieler wirkte er in über 70 Filmen
mit, darunter auch in der Verfilmung von Günter Grass' Roman "Die
Blechtrommel" von Volker Schlöndorff und 2002 in Atom Egoyans Reflexion
über Künstler, Erinnerung und die armenische Geschichte, "Ararat".
"Ich liebe das Kino, vorausgesetzt das Projekt dauert nicht länger
als 5 Tage. Kleine Drehs hier und da, das gefällt mir, nicht die langen
Drehs von 30 Tagen", meinte der Künstler und Diplomat, der stattdessen
mehrere Projekte auf einmal bevorzugt.
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http://www.n-tv.de/panorama/kultur/Arbeit-haelt-mich-jung-article297662....