Und trotzdem: Angesichts der Schatten der Vergangenheit über dem
Verhältnis zwischen beiden Ländern sind auch Trippelschritte eine große
Leistung - wenn denn die ausgestreckte Hand der Türkei einem echten
Willen nach Aussöhnung entspricht. Wenn also nicht nackte Taktik
dahintersteckt. Wenn der bange Blick auf den US-Präsidenten, den man
auf diese Weise zu einem Verzicht auf das Wort "Völkermord" bewegen
möchte, nicht das einzige Motiv ist. Tatsächlich ist der türkische
Vorstoß auch Ausfluss einer Vision von einer neuen Außenpolitik. Das
Land will eine Regionalmacht werden und überdies mit allen Nachbarn gut
Freund sein. Jahrzehntelang war dies anders.
Allerdings weigert sich die Türkei mit ihrem verzweifelten Kampf gegen
Völkermord-Resolutionen, die Realitäten anzuerkennen. Damit mag sie
hier und da eine Schlacht gewinnen - den Krieg aber hat sie schon
verloren. Denn wenn es Barack Obama an diesem Freitag nicht tut, dann
wird es irgendwann ein anderer tun: Eines Tages wird ein US-Präsident
die Massaker an Armeniern von 1915 als Völkermord bezeichnen. Und die
Welt wird sich weiterdrehen, die Türkei wird nicht untergehen, und sie
wird keine Territorien verlieren, wie vielfach befürchtet. Ankaras
Angst vor Genozid-Resolutionen ist irrational - und kostet viel
politisches Kapital. ttt
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