von Karen Krüger
Neu in
der amerikanischen Geschichte war dieses Versprechen nicht. Neu war auch nicht,
dass die amerikanische Lobby der armenischen Diaspora einen
Präsidentschaftskandidaten deshalb mit Geld und Stimmen unterstützte. Vor Obama
hatten George W. Bush und Bill Clinton Ähnliches angekündigt. Beide sahen
während ihrer Amtszeit jedoch davon ab; keiner wollte das Verhältnis zum
militärischen Bündnispartner Türkei stören. Nur Ronald Reagan stellte in seiner
Türkei-Politik die Rücksichtnahme hintan und verurteilte das Vorgehen gegenüber
den Armeniern während seiner Präsidentschaft als Genozid.
Vor
seiner Reise in die Türkei hatten beide Seiten versucht, Obama von der
Richtigkeit ihrer Sache zu überzeugen. Noch am Montag startete die armenische
Diaspora eine Telefonkampagne, mit der das Weiße Haus an Obamas Versprechen
erinnert werden sollte. Der türkische Außenminister Ali Babacan hingegen warnte
vor der Verwendung des Begriffs Genozid und erklärte, dass Obama am meisten zur
Versöhnung zwischen der Türkei und Armenien beitragen könnte, wenn er sich
nicht zum Thema äußere. Und auch der türkische Ministerpräsident Tayyip Erdogan
machte noch einmal seine Position klar: Es sei für die Türkei unmöglich, etwas
anzuerkennen, das nicht existiert, sagte er am Freitag in London.
Am Montag
also hat Obama vor dem türkischen Parlament gesprochen. Das umstrittene
„G-Wort" nahm er nicht in den Mund. Statt dessen umschiffte er das heikle
Thema mit diplomatischen Floskeln. Obama erinnerte daran, dass sich auch die
Vereinigten Staaten schwertun mit „unserem Erbe der Behandlung der eingeborenen
Amerikaner". Bei einer Pressekonfernez bejahte er jedoch später die Frage,
ob er unverändert der Ansicht sei, dass es sich bei den Vorgängen von 1915 um
einen Genozid gehandelt habe: Seine Ansichten seien bekannt, und er habe sie
nicht geändert.
Das
„Armenian National Committee of America" zeigte sich enttäuscht. Obama
habe eine wichtige Chance verpasst, teilte das Komitee mit. Obamas Äußerungen
vor dem türkischen Parlament, in denen er den Genozid indirekt als solchen
benannt habe, seien zwar ein Schritt in die richtige Richtung, aber weit weg
von dem, was er als Präsidentschaftskandidat versprochen habe. Man erwarte,
dass der Präsident zu seinem Wort stehe und dass die Frage der
Genozidanerkennung nicht vom Druck anderer Regierungen abhänge.
Am 24.
April gedenken Armenier in aller Welt der Massaker. Traditionell gibt der
amerikanische Präsident an diesem Tag eine Erklärung dazu ab. Ob Obama sich
dann für eine klare Stellungnahme entscheiden wird?
In Eriwan
ist man skeptisch. „Obamas Verwendung oder Nicht-Verwendung des G-Wortes
bedeutet nicht, dass er seine Position in dieser Sache geändert hat. Es
verdeutlicht vielmehr, dass die Türkei und Armenien kurz vor einem historischen
Durchbruch stehen, den die Vereinigten Staaten versuchen zu ermutigen und zu
unterstützen", kommentierte Richard Giragosian, der Direktor des „Armenian
Center for National and International Studies" auf der Internetseite von
Armenia Now den Besuch Obamas in der Türkei. Giragosian glaubt nicht daran, am
24. April das Wort „Genozid" von Obama zu hören.