Wenn Barack Obama am Montag und Dienstag die Türkei besucht, dann
steht ein Thema auf der Tagesordnung, das vordergründig mit den USA
nicht viel zu tun hat: Armenien - oder vielmehr das neue Tauwetter
zwischen der Türkei und Armenien. Die Beziehungen zwischen den beiden
Nationen sind historisch belastet durch die Vernichtung der Armenier in
Anatolien 1915/16.
Das ist aber längst nicht das einzige Problem.
Als Armenien nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion in die
Unabhängigkeit entlassen wurde, nahm Ankara 1991 diplomatische
Beziehungen mit Eriwan auf. Zwei Jahre später aber marschierten
armenische Truppen in die zu Aserbeidschan gehörende Enklave
Nagornyi-Karabach ein - die Türkei reagierte mit dem Abbruch der
Beziehungen und schloss die Grenze zum Nachbarn.
Eiszeit herrschte zwischen beiden Ländern, bis Premier Tayyip
Erdogan eine Geheimdiplomatie mit Eriwan begann, die 2008 einen ersten
Erfolg zeitigte. Damals reiste Staatspräsident Abdullah Gül zu einem
Länderspiel der beiden Fußballnationalmannschaften nach Eriwan. Nun
scheint ein weiterer Durchbruch bevorzustehen: Sowohl türkische
Zeitungen wie die Washington Post meldeten, beide Seiten hätten
sich auf die Öffnung der Grenzen und die Wiederaufnahme diplomatischer
Beziehungen geeinigt. Nur der Termin der öffentlichen Verkündung stehe
noch nicht fest.
Das ist kein unwichtiges Detail. Barack Obama
hatte seinen Wahlkampf unter anderem mit dem Versprechen geführt, er
werde als erster US-Präsident die türkischen Massaker an den Armeniern
als "Völkermord" bezeichnen - was zu schweren Verwerfungen im
Verhältnis mit Ankara führen würde. Mit Spannung wird daher in Ankara
der 24. April erwartet, jener Tag, an dem Armenier in aller Welt der
Massaker gedenken, und an dem der US-Präsident traditionell eine
Erklärung dazu abgibt.
Ankara hofft nun, mit der neuen
Armenien-Initiative Präsident Obama davon abzubringen, das Wort
"Völkermord" zu benutzen. Schon wird spekuliert, die Türkei werde
während Obamas Türkeibesuch das Abkommen öffentlich machen - oder aber
am 16. April, wenn der türkische Außenminister die armenische
Hauptstadt besucht. Das aber wird Ankara nicht tun, ohne vorher die
Zusage von Obama zu haben, dass er auf den "Völkermord"-Vorstoß
verzichtet.
http://www.sueddeutsche.de/politik/568/464170/text/