Barack Obama bemüht sich bei seinem Besuch in Ankara und Istanbul
darum, das zuletzt belastete Verhältnis zum Bündnispartner Türkei zu
verbessern. Dabei muss der US-Präsident verschiedene Klippen
umschiffen. Eine der gefährlichsten ist der Umgang der Türken mit der
Armenierfrage.
Zwischen 1915 und 1917, während des Ersten Weltkrieges, ging das
damalige Osmanische Reich mit brutaler Gewalt gegen armenische
Unabhängigkeitsbestrebungen vor. Die armenische Bevölkerung Anatoliens
sollte deportiert werden, bei Massakern und Todesmärschen starben
Hunderttausende.
Was damals geschah, das ist bis heute ein Tabuthema in der Türkei.
Eine Aufarbeitung der Vergangenheit fand niemals statt. Und so sah es
Ankara nicht gerne, dass Barack Obama im Wahlkampf ankündigte, die
Verfolgung der Armenier als Genozid zu bezeichnen. Von überwältigenden
historischen Beweisen war die Rede, was in der Türkei Protest auslöste.
Obama aber bleibt bei seinem Vorhaben: Er ändere seine Sichtweise
nicht, sagte er gegenüber Journalisten in Ankara. Über die gerade
stattfindende türkisch-armenische Annäherung freue er sich aber, sagte
der US-Präsident. Nach jahrzehntelangen Spannungen reden die
Nachbarländer seit kurzem miteinander. Eine gemeinsame
Historikerkommission soll die Vergangenheit aufklären.
Dazu ist es in der Tat höchste Zeit. Wenn die türkische Regierung
allerdings glaubt, mit der Einrichtung des Gremiums sei schon genug
getan, dann irrt sie. Es ist kaum anzunehmen, dass sich Obama so leicht
von seinem Vorhaben abbringen lässt. Dazu ist schon der Druck aus dem
US-Kongress zu groß.
Auch die türkische Politik sollte endlich einsehen, dass
Totschweigen kein Verbrechen ungeschehen macht. Die Türkei will ein
modernes Land sein, will Mitglied werden in der Europäischen Union.
Dazu gehört ein offener Umgang mit den Armeniern und dem, was ihnen
angetan wurde. Die Türkei muss sich ihrer Vergangenheit stellen.
http://www.news.de/politik/1216799355563/totschweigen-hilft-nicht.html