Wenn Sergej Khachatryan mit seiner Geige einsam auf dem Podium des
Herkulessaals steht und selbstvergessen Johann Sebastian Bachs
d-moll-Partita spielt, dann hat er etwas von der Aura eines Erzengels.
Für jeden einzelnen der fünf Sätze findet der 24-jährige Armenier
sprechenden Ausdruck, fürchtet sich keineswegs vor Vibrato und
präsentiert selbst komplexeste Griffe mit der größten
Selbstverständlichkeit.
Wenn Schwester Lusine bei Brahms am Flügel hinzutritt, erfährt die
Intensität des Hörens noch eine Steigerung. Denn die beiden Geschwister
spielen, als wären sie eineiige Zwillinge. Er mit weichem Klang und
dennoch trennscharfem Spiel, sie mit einer bewundernswerten Leuchtkraft
und Lebendigkeit des Anschlags wie der Phrasierung. Dem Hörer stellt
sich nie die Frage, wer gerade die Führung übernommen hat, weil beide
in jedem Takt präsent und als Duo perfekt aufeinander bezogen sind.
Wenn die G-Dur-Sonate von Johannes Brahms mit so viel Behutsamkeit und
Zärtlichkeit geradezu als eine allumfassende Liebeserklärung gespielt
wird, dann beginnt sie mit einem Mal seraphisch hell zu tönen.
Nach der Pause folgte mit Beethovens Kreutzer-Sonate der scharfe
Kontrast: Unbändig vital gespielt, mit einem Hauch russischer Seele am
Ende des ersten Satzes. Höhepunkt des Abends wurde der Variationensatz
- changierend zwischen eleganter Salonmusik mit einer Prise Ironie,
weitgespanntem Singen, Spieldosen-Mechanik und grandios feinfühliger
Anmut. Die Redseligkeit des Rondo-Finales setzte sich in drei Zugaben
fort, deren erste - Rachmaninows "Vocalise" - nicht enden wollte,
während der Ausschnitt aus Gershwins "Porgy and Bess" und ein
armenisches Lied den langen, schönen Abend charmant abrundeten.