Im Jahr 1915 schickt das
deutsche Heer den Schriftsteller und Sanitätsoffizier Armin T. Wegner
(1886-1978) ins Osmanische Reich, nach Anatolien. Wegner trägt eine
Kamera bei sich, als er Zeuge wird, wie die Türken die Armenier aus dem
Land vertreiben. Er fotografiert, macht sich Notizen und dokumentiert
so das Grauen, das nach heutigen Schätzungen bis zu 1,5 Millionen
Menschen das Leben gekostet haben soll.
Das
Lindenau-Museum in Altenburg zeigt ab Sonntag (22. Februar) diese
Bilder Wegners sowie Teile der Texte, die der Schriftsteller dazu
verfasst hat. Die Fotos gelten bis heute als eines der
aussagekräftigsten Dokumente über den Genozid. Ihr Autor aber, sagt
Jutta Penndorf, die Direktorin des Lindenau-Museums, sei heute nahezu
vergessen.
Dabei war Wegner nach dem Ersten
Weltkrieg als Reiseschriftsteller einer breiten Öffentlichkeit bekannt
geworden. Die Reisen, die er in den 20er Jahren nach Russland, in den
Kaukasus, nach Palästina und Ägypten unternimmt, verarbeitet er in
Büchern, die teilweise Auflagen von 500 000 Stück erreichen.
Die
Bilder von den brennenden Siedlungen der Armenier, von den Erschlagenen
und Erhängten, von den verlassenen Kindern verbindet er mit seinen
Texten zu einem Vortrag. Mit ihm zieht er durchs Land, um den Deutschen
vom Genozid zu berichten und sie wachzurütteln. Durchaus mit
missionarischer Kraft, sagt Matthias Flügge, der die Ausstellung
organisiert hat.
Er habe offensiv die
Öffentlichkeit gesucht, sagt der Kunsthistoriker: Nach seiner Rückkehr
aus Anatolien hatte Wegner in einem einen offenen Brief an den
nordamerikanischen Präsidenten Woodrow Wilson appelliert, sich für die
Armenier einzusetzen.
Im Frühjahr 1933
protestiert der «glühende Humanist», wie Museumsdirektorin Penndorf
sagt, in einem offenen Brief an Adolf Hitler gegen die Verfolgung der
Juden. Wegner kommt ins KZ. Nach seiner Freilassung emigriert er nach
Italien, die Nazis verbrennen seine Bücher - und erreichen, dass der
Bestsellerautor und Zeuge des Genozids an den Armeniern heute ein fast
Unbekannter ist.
Zwei weitere Ausstellungen, die
am Sonntag parallel zur Wegner-Schau in Altenburg öffnen, greifen die
Zeitläufe Anfang des vergangenen Jahrhunderts auf. Museumsdirektorin
Penndorf hat Werke aus der bedeutenden hauseigenen
Conrad-Felixmüller-Sammlung zu einer Kabinett-Ausstellung arrangiert,
die, wie sie sagt, einen historischen Hintergrund für die unruhigen
Jahrzehnte zwischen 1914 und 1945 bildet.
Unter
dem Titel «Entdeckte Moderne» präsentiert ab Sonntag zudem der
Kunstsammler Gerhard Schneider seine Sammlung mit Werken der
klassischen Moderne, gemalt von Künstlern, die Wegners Schicksal
teilen. «Viele der Künstler aus der Sammlung Schneider wurden von den
Nazis verfolgt und sind deshalb später vergessen worden», sagt
Penndorf. Einige Motive der gemalten Moderne - Palmen, Orientalismen,
exotische Landschaften - finden sich in einem zweiten Teil der
Wegner-Fotografien wieder, die in Altenburg zu sehen sind.
Sie
hat der Schriftsteller auf seinen Reisen in den 20er Jahren gemacht:
Fotos aus dem Kaukasus, von einer ägyptischen Bauernhochzeit, von den
Wüstenquerungen mit dem «weißer Fuchs» genannten Motorradgespann. Die
Bilder und launige Bildunterschriften wie die unter einem Foto aus
Palästina, «Der Arm des Verkehrspolizisten gebietet auch hier 'Halt!'»,
erzählen auch von Wegners Lebensfreude.
Die
allerdings hatte in Anatolien, später im nationalsozialistischen
Deutschland und mangels Anerkennung nach dem Zweiten Weltkrieg Risse
bekommen, weiß Michele Wegner, der Sohn des Schriftstellers: «Mein
Vater war eine angesehene, aber trotz seiner Lebensfreude auch
angeschlagene Persönlichkeit», sagt er. «Durch seine Erlebnisse war
etwas in ihm kaputt gegangen.» Die Ausstellung in Altenburg könne nun
einen Teil zur Rehabilitierung seines Vaters beitragen, hofft Michele
Wegner: «Er war nicht nur mein Vater, sondern auch dieser Mensch, der
die Courage hatte, nicht wegzuschauen, sondern sich voll einzusetzen.»
(lindenau-museum.de)