Brühl / Bornheim -
„Müllhalden verschmutzen die einst idyllischen Bergwiesen, Abwässer
vergiften Bäche und Flüsse, seltene Tiere wie das armenische Mufflon
oder die Bezoar Ziege werden durch Wilderer schonungslos dezimiert, und
die Abholzung großer Waldflächen zerstört das Ökosystem des Landes."
Barbara Siebert macht sich große Sorgen um Armenien, den Binnenstaat im
Kaukasus. Gemeinsam mit armenischen Umweltschützern hat sie am Kaukasus
ein Projekt ins Leben gerufen, in dem Kinder und Jugendliche ihren
Blick für die Natur schärfen sollen. In Kürze soll dieses Projekt am
Alexander-von-Humboldt-Gymnasium in Bornheim vorgestellt werden.
Mittelfristig wünschen sich die Initiatoren einen Austausch sowohl mit
den Lehrern als auch mit den Bornheimer Schülern.
Barbara
Siebert hat in der Vergangenheit mit ihren Arbeiten schon viel Aufsehen
erregt. Zuerst mit den Bücher „Makkabi lebt - Die jüdische
Sportbewegung in Deutschland" und „Zeugen aus der Todeszone". 2007
schließlich sorgte die einstige Schülerin des St.-Ursula-Gymnasiums für
Wirbel, als ihre viel beachtete Reportage über „Das Schweigen der
Quandts" im Fernsehen ausgestrahlt wurde. Es war jene Recherche, die
belegt, dass die wohlhabende und einflussreiche Unternehmerfamilie
Quandt die Tätigkeiten ihrer Firmen im Laufe des Krieges wissentlich
durch den Einsatz von Zwangsarbeitern aufrechterhielt. Das geschah
durch firmeneigene Konzentrations- und Arbeitslager, in denen die
Sklavenarbeiter von SS-Leuten bewacht wurden. Fast
fünf Jahre recherchierte die 44-Jährige zusammen mit ihrem Kollegen
Eric Friedler, sprach mit einstigen Zwangsarbeitern, tauchte in die
Literatur verschiedener Archive ein, wälzte alte Dokumente.
Mit
vergleichbarer Akribie hat sie es sich nun das Ziel gesetzt, weltweit
auf die Bedrohung der Natur und der Tiere in Armenien hinzuweisen. „Die
Wirtschaft des Landes wächst - eine grundsätzlich erfreuliche
Entwicklung, die jedoch leider nicht mit einem wachsenden
Umweltbewusstsein einhergeht. Im Gegenteil: Die totale Ökonomisierung
aller Lebensbereiche führt zu immer mehr Gleichgültigkeit der
armenischen Gesellschaft gegenüber ihrem Natur- und Kulturerbe", sagt
Siebert. Vor Jahren hatte sie sich auf den Weg nach Armenien gemacht,
um den Massenmord, dem während des Ersten Weltkriegs etwa 1,5 Millionen
Armenier zum Opfer gefallen sind, zu dokumentieren. Dabei habe sie den
Filmemacher und Umweltschützer Ruben Khachatryan kennen gelernt und
über ihn auch die gemeinnützige Stiftung FPWC (Foundation for the
Preservation of Wildlife and Cultural Assets in the Republic of
Armenia). Die Idee ist, Kindern und Jugendlichen die Möglichkeit zu
eröffnen, durch Film- und Fotokameras ihre Umwelt neu zu entdecken.
„Dabei geht es buchstäblich darum, »sehen zu lernen« und die über Jahre
entstandene »Blindheit« für die Welt der Natur zu überwinden", so die
Autorin. Armenische Kinder und Jugendliche orientierten sich stark an
materiellen Werten und Konsum und wüssten nur wenig darüber, dass nur
die Erhaltung des empfindlichen Ökosystems des Landes auch ihre eigene
Zukunft sichere, sagt Siebert.
Nachdem die armenische Stiftung
einen dortigen Sponsor gefunden hatte, der bereit war, das
Pilotprogramm finanziell zu fördern, begannen die Initiatoren im Herbst
2006 mit der Gründung so genannter „Eco-Clubs". Bis zu tausend Kinder
zwischen zwölf und 16 Jahren, die in ärmlichsten Verhältnissen leben,
treffen sich etwa dreimal in der Woche in elf verschiedenen Dörfern des
Landes und bekommen dort kostenfreien kindgerechten Unterricht von
Biologen und Vogelkundlern sowie von Filmemachern, Fotografen und
professionellen Kameraleuten. Die Kinder beobachten die Tiere,
begutachten die Pflanzen, bringen sie zeichnerisch zu Papier oder
fotografieren selbst. „Ergänzt wird dies durch fundierte Informationen
über die ökologischen Zusammenhänge der armenischen Bergwelt und die
zahlreichen Kulturdenkmale in dieser einzigartigen Landschaft",
beschreibt Siebert weiter.
Naturschätze
Nebenaspekt
sei, dass über die Kinder eben auch die Eltern erreicht und für die
Probleme der Umwelt sensibilisiert werden könnten. Die Armenier sollen
ihre Kultur- und Naturschätze erkennen lernen, ein neues
Selbstbewusstsein entwickeln und darüber lernen, ihre Rechte
einzufordern, so die studierte Ethnologin, Sinologin und Tibetologin.
Anfang
Februar wird Khachatryan, der in Deutschland studiert hat, nach
Bornheim kommen und im Alexander-von-Humboldt-Gymnasium Lehrern das
Projekt vorstellen. Angedacht ist, dass Lehrer eventuell in den
Sommerferien einen Teil ihrer Freizeit zur Verfügung stellen und den
jungen Helfern in Armenien beibringen, wie man Kinder und Jugendliche
für eine Sache begeistern kann. In einem weiteren Schritt sollen die
Jugendlichen in Armenien und Deutschland per Internet ihre Fotografien
zum Thema Natur austauschen, darüber diskutieren und sich später
möglicherweise sogar besuchen.
Film über Massenmord
Einen
Großteil des Jahres verbringt Siebert inzwischen in Armenien,
fünfeinhalb Monate waren es im vergangenen Jahr, in diesem Jahr wird es
nicht weniger sein. Nach Deutschland kommt sie vorwiegend, um ihre
Dokumentationen fertig und die armenische Stiftung bekannt zu machen.
Zu diesem Zweck gründete sie 2007 - in Anlehnung an die Stiftung -
einen Verein.
Ihren Film über den Massenmord an den Armeniern hat
sie dabei nicht aus den Augen verloren: 2010 soll er auf der Berlinale
gezeigt werden.