Einen
ersten Schritt wagt Cengiz Aktar, Politologe und Kopf der Initiative
„ozurdiliyoruz" („Ich entschuldige mich"), deren Erklärung bereits mehr als
2000 türkische Intellektuelle weltweit, darunter auch der deutsche Politiker
Cem Özdemir (Grüne) unterschrieben haben.
Man wolle keine Schuldzuweisungen, so, Cengiz Aktar, sondern eine Diskussion
eröffnen. Nicht von „Völkermord", sondern von „ großer Katastrophe" ist daher
auch in der Erklärung die Rede. Auf möglichst behutsame Weise will er die
türkische Öffentlichkeit an ein gefährliches Thema heranführen. In der
Erklärung heißt es:
„Ich kann mit meinem Gewissen nicht vereinbaren, dass die große Katastrophe,
der die osmanischen Armenier 1915 ausgesetzt waren, ohne Sensibilität behandelt
und geleugnet wird. Ich weise diese Ungerechtigkeit zurück, ich persönlich
teile den Schmerz meiner armenischen Brüder, und ich entschuldige mich bei
ihnen".
In einem völlig anderen Gebiet, nämlich über den Sport, erhoffen sich nun viele
Armenier und Türken eine - zumindest diplomatische - Annäherung. Das
heutige Fußballspiel zwischen Armenien und der Türkei erreicht vermutlich viel
mehr Menschen als irgendein politischer Diskurs.
Zum ersten Mal nach 80 Jahren reiste zu diesem Zweck ein türkischer Staatschef,
Abdullah Gül, in das Nachbarland - ein großer symbolischer Schritt in Richtung
Versöhnung. Und beliebte Journalisten, wie der Zeitungskommentator Hasan Cemal,
dokumentieren die friedliche und hoffnungsvolle Stimmung vieler türkischer und
armenischer Fußballfans vor Ort. Die Frage nach dem Seiger ist hierbei
nebensächlich. Zumindest die türkische Wirtschaft wünscht sich schon lange
einen Versöhnungskurs, besonders im Hinblick auf den sich dadurch öffnenden
Tourismusmarkt.
Seit Jahrzehnten sind Kritiker des türkischen Staates harten Repressalien
ausgesetzt. Der Literaturnobelpreisträger Orhan Pamuk wird seit Jahren juristisch
verfolgt und erhält Morddrohungen. Er hatte die Türken dazu aufgefordert, sich
der historischen Vergangenheit zu stellen. Und in Brüssel hatten jüngst
Armenier in einer Demonstration vom türkischen Staat gefordert, sich im Falle
eines EU-Beitritt zu dem Genozid an den Armeniern zu bekennen.