Römisches Schlachtfeld entdeckt: Die Germanen in den Sumpf treiben

mit einem Heer, in dem vor allem orientalische Kontingente, syrische und armenische Bogenschützen, eine große Rolle spielten

Von Ralf-Peter Märtin

Dass die Römer im dritten
Jahrhundert gegen die Germanen kämpften, ist keine Sensation - dass man eines
dieser Schlachtfelder gefunden hat, schon. Noch ist das Fundmaterial für eine
„Schlacht" vergleichsweise mager, stehen die Ausgrabungen erst am Anfang, aber
so viel ist klar: In der Gemarkung Oldenrode bei Kalefeld im Landkreis Northeim
haben sich Römer und Germanen ein erbittertes Gefecht geliefert. Ein offenbar
von Nord nach Süd marschierender römischer Verband geriet am sogenannten Harzhorn,
einem von Ost nach West ziehenden Höhenrücken, in einen germanischen Hinterhalt
und musste sich darauf den Weg freikämpfen.

Wie er das tat, beweist, dass es sich wirklich um römische Truppen handelte.
Denn die geborgenen Stücke sind Geschosspfeile und Katapultbolzen, wie sie nur
von der imperialen Feldartillerie verschossen wurden, beispielsweise vom Typ
Scorpio, einem Torsionsgeschütz. Es war leicht transportierbar, einfach zu
bedienen und durchschlug auf mehrere hundert Meter jeden Schild und jede
Rüstung. Im Gelände haben die Archäologen mit auf Stöcken aufgesteckten
Tennisbällen markiert, wo die Salven einschlugen. Unterstützt wurde der Angriff
von orientalischen Bogenschützen. Ihre charakteristischen dreikantigen Pfeile
fanden sich ebenfalls. Dem Beschuss mit Fernwaffen folgte ein
Infanterieangriff. Ihn gegen den von Germanen besetzten Hang vorzutragen war
sicherlich Schwerstarbeit. Seine Stoßrichtung bis hinauf auf die Kammhöhe lässt
sich an den verlorenen Eisennägeln der Sandalen verfolgen, der klassischen
Fußbekleidung der Legionäre.

Kein Hinweis auf den germanischen Gegner

Mit aller Vorsicht schätzt die Kreisarchäologin Petra Lönne die Stärke der
Römer auf eine Abteilung von vielleicht tausend Mann. Sie führte auch einen
Tross mit sich. Ein schön gearbeitetes Stück einer Wagenaufhängung, Radnaben,
eine Pionieraxt und ein Zelthering belegen es, dazu auch ein eiserner
Pferdeschuh, eine Steighilfe, die man für Transportmaultiere in schwerem
Gelände einsetzte, da Hufeisen noch nicht in Gebrauch waren.

Die Römer siegten. Jene verräterischen Kleinteile, die beim Fleddern der
Toten von Rüstungen, Helmen und Kleidung abreißen und die zu Hunderten auf dem
wahrscheinlichen Varusschlachtfeld von Kalkriese geborgen wurden, fehlen.
Bislang gibt es außer ein paar Speerspitzen keine Hinweise auf die germanischen
Gegner. Ebenfalls zu klären bleibt, warum die an Metall immer interessierten
Stammeskrieger die römischen Geschosse liegen ließen. Vielleicht, vermutet der
Archäologe Achim Rost, weil sie sich zu tief in den Boden eingebohrt hatten.

Entlang einer klassischen Route

Wann hat sich das Gefecht abgespielt? Der einzigen gefundenen Münze mit dem
Porträt des Kaisers Commodus (180-192) - die ja nicht unbedingt mit dem Kamp im
Zusammenhang stehen muss - springt eine Schwertscheidenverzierung zur Seite,
deren Ornamentik sich eindeutig der ersten Hälfte des zweiten Jahrhunderts
zuordnen lässt. Endgültige Bestätigung dieser Zeitstellung lieferte eine
C14-Datierung aus den Holzresten eines Geschützpfeils.

Müssen wir uns darüber wundern, so weit vom Rhein römische Truppen
anzutreffen? Die von den Römern begangene Route kann man regelrecht „klassisch"
nennen. Es ist die Vormarschstraße aus der Zeit der Germanenkriege des Drusus
und des Tiberius um Christi Geburt. Von Mainz führte sie durch die Wetterau
über das in jüngster Zeit gefundene Lager von Hedemünden an der Werra am
Westrand des Harzes entlang zur Elbe.

Wider die Legende

Es ist ein weitverbreiteter Irrtum, anzunehmen, Rom habe sich nach der
Niederlage in der Varusschlacht, die im Jahre neun nach Christus drei römische
Legionen vernichtete, für immer aus Germanien zurückgezogen. Im Gegenteil: Ab
der zweiten Hälfte des ersten Jahrhunderts schob das Imperium sukzessive seine
Grenze über den Rhein und den Oberlauf der Donau vor, eroberte die fruchtbaren
Landschaften des Neuwieder Beckens, der Wetterau, der Oberrheinischen
Tiefebene, des Main- und Neckartals und errichtete um 120 nach Christus die 550
Kilometer lange, von Palisaden und Mauern gesicherte Kontrollzone des
obergermanisch-rätischen Limes.

Zu allen Zeiten beruhte die Sicherung der endlosen Fluss- und Landgrenzen
auf der Beherrschung des Vorfeldes. Mit schöner Selbstverständlichkeit nahm Rom
sich das Recht, in der Tiefe des germanischen Raums zu operieren und nach dem
Prinzip Vorwärtsverteidigung drohende Gefahren abzuwenden. Dies wurde auch
beibehalten, als es zu Beginn des dritten Jahrhunderts zu Großangriffen der
Alamannen, kam, die 211 und 233 auf breiter Front den Limes durchbrachen.

Ein weites Feld für Archäologen

Die Feldzüge der Kaiser Caracalla (211 bis 217) und Maximinus Thrax (235 bis
238) stießen aus dem Limesgebiet weit in die germanischen Kerngebiete vor. Von
Letzterem berichten unsere Hauptquellen, Herodian und die auf ihm basierende
„Historia Augusta", er sei mit einem Heer, in dem vor allem orientalische
Kontingente, syrische und armenische Bogenschützen, eine große Rolle
spielten, gegen die Germanen gezogen, habe sie in die Sümpfe getrieben und dort
einen großen Sieg errungen. Fixiert auf die in Süddeutschland siedelnden Alamannen,
hat die Forschung den württembergischen Raum als Ort der „Schlacht im Moor"
angenommen. Der Althistoriker Gustav Adolf Lehmann verweist hingegen darauf,
dass auch eine andere Lesart der Quellen möglich ist. Topographie und
Entfernung könnten durchaus zum Harzvorland passen.

Doch vor all diesen Vermutungen steht erst einmal der eigentliche Beginn der
Ausgrabungen. Allein schon das Ausmaß des Areals, eine Fläche von 1500 mal 500
Metern, wird die Archäologen auf Jahre beschäftigen. Die Arbeit wird sich lohnen.
Neben Kalkriese, bislang das einzige ergrabene antike Schlachtfeld weltweit,
besitzt ausgerechnet das so weit von Rom entfernte Niedersachsen nun noch das
zweite. Segen und Fluch zugleich. Denkt man an den viel zu mageren
Forschungsetat vom Varusschlachtfeld, wird man sich wohl auch am Harzrand in
Geduld fassen müssen. Zeichen der Hoffnung: Der Kultusminister persönlich war
zur Besichtigung vor Ort.