Die Türkei,
wo jegliche Kritik an der offiziellen Staatsideologie und Geschichtsdarstellung
als Straftat verfolgt wird, nimmt sich das Recht, den Abgeordneten der
französischen Nationalversammlung die Einschränkung der Meinungsfreiheit
vorzuwerfen. Doch das Recht auf freie Meinungsfreiheit verbürgt nicht das Recht
für Genozidleugner, als die „andere" Seite einer gerechtfertigten Diskussion
behandelt zu werden, wie es sich die türkischen Genozidleugner wünschen. Die
historische Tatsache des Völkermordes an den Armeniern kann nicht zur Diskussion
gestellt werden.
Obwohl die
französische Regierung aufgrund der türkischen Drohungen gegen eine
Verabschiedung des Gesetzes war, ließen sich die Abgeordneten der
Nationalversammlung von den grotesken Erpressungsversuchen der Türkei nicht
beeindrucken. Dem von den Sozialisten eingebrachten Entwurf stimmten auch
Abgeordnete der Regierungsfraktion zu. Redner aller Fraktionen begründeten ihre
Zustimmung zu dem Gesetzentwurf u.a. damit, dass türkisch-nationalistische
Genozidleugner in Lyon gegen die Aufstellung eines Mahnmals für die Opfer des
Völkermordes an den Armeniern demonstriert hätten.
Der
Zentralrat der Armenier in Deutschland begrüßt die historische Entscheidung der
französischen Nationalversammlung. Nachdem in Frankreich bereits im Januar 2001
der Völkermord durch ein Gesetz anerkannt worden ist, hat heute die
Nationalversammlung die Konsequenz daraus gezogen und die Völkermordleugnung zu
einer Straftat erklärt. Dies liegt auch ganz im Sinne der im April 1998
abgegebenen Erklärung von 150 prominenten Genozidforschern und Schriftstellern,
wonach die Leugnung eines Völkermordes
die letzte Stufe des Völkermordes darstellt. Nach ihrer Überzeugung verletzt
Völkermordleugnung die Würde der Überlebenden und zielt auf die Auslöschung der
Erinnerung an das Verbrechen.
Die
armenische Gemeinschaft in Deutschland verfolgt mit großer Sorge die Politik
der türkischen Regierung durch Druck und Erpressung die europäische
Öffentlichkeit und Politik davon abzuhalten, die historische Wahrheit
anzuerkennen. Auch in Deutschland, wo der Bundestag im Juni 2005 den Völkermord
an den Armeniern anerkannt hat, sehen wir bei der Bekämpfung von
Genozidleugnung einen dringenden gesetzlichen Handlungsbedarf. Der ZAD hat mehrmals vergeblich dagegen
protestiert, dass türkische Genozidleugner als Abgeordnete in den Bundestag
gewählt wurden. Die Genozidleugnung muss auch in Deutschland als Straftat
anerkannt und Genozidleugnung konsequent unterbunden werden. „Nichts ist grausamer als Verfolgung,
Demütigung und Leiden eines einzelnen oder einer Gruppe zu negieren - in
gewisser Hinsicht übertrifft es die Verfolgung noch an Grausamkeit." Diese
Feststellung der Holocaustforscherin Prof. Deborah E. Lipstadt, die zu den
Unterzeichnern des Appells für die Anerkennung des Völkermordes an den
Armeniern zählt, macht deutlich, welche Bedeutung ein Verbot der
Völkermordleugnung für die Überlebenden und Nachkommen hat. Die wirksame
Bekämpfung der Völkermordleugnung ist eine Herausforderung für jede demokratische Gesellschaft.
Zentralrat der
Armenier in Deutschland
Frankfurt
am Main, 12.10.2006