DW-Russisch:
Präsident Dmitrij Medwedjew hat seine Kollegen aus Aserbaidschan und Armenien,
Sersch Sarkisjan und Ilham Alijew, zu einem Treffen über die abtrünnige Region
Berg-Karabach zusammengebracht. In einer unterzeichneten Erklärung bekunden sie
ihre Bereitschaft, gemeinsam an einer politischen Beilegung des Konflikts zu
arbeiten. Ist das ein ernst zu nehmendes
Dokument?
Uwe Halbach: Es ist ein ernst zu
nehmendes Dokument, aber eines, dass natürlich nicht viel Neues bringt. Es
knüpft an Prinzipien an, die bereits als verhandelbar gelten, die bei einem
Treffen in Madrid im November 2007 bestätigt worden sind. Der russische Vorstoß
geht noch einmal in die Richtung, diese angeblich verhandelbaren Prinzipien im
Berg-Karabach-Konflikt herauszuheben, an internationale Garantien zu binden.
Dabei wird sehr deutlich, dass nach dem Georgien-Krieg Russland hier noch einmal
die Initiative ergreift, um auch in dem anderen ungelösten Regionalkonflikt des
Südkaukasus seinen Einfluss deutlich zu machen. Interessant ist dabei, dass im
Umfeld dieses Berg-Karabach-Konflikts in letzter Zeit verschiedene Impulse
gegeben wurden, von verschiedenen Seiten, jetzt die Konfliktlösung auf den Weg
zu bringen. Da ist vor allem die Türkei besonders aktiv geworden, mit einer
Plattform für Zusammenarbeit und Stabilität im Kaukasus. In diesem Umfeld
verstärkter internationaler Aktivitäten zur Lösung des Berg-Karabach-Konflikts
ist die russische Initiative zu sehen.
Hat
der Krieg in Georgien auch dazu beigetragen, dass die Präsidenten von
Aserbaidschan und Armenien zusammenkamen?
Die Nachbarländer Armenien und
Aserbaidschan sind beide durch den Fünf-Tage-Krieg in Georgien in
Mitleidenschaft gezogen worden, vor allem durch die vorübergehende Unterbrechung
von Transitwegen und Handelsverbindungen. Das war für Armenien eine sehr
schmerzliche Erfahrung. Es heißt in Jerewan, dass ein Schaden von bis zu 680
Millionen Dollar entstanden ist. Auch in Aserbaidschan hat man die Unterbrechung
der Transitwege mit großer Sorge betrachtet. Dadurch sind Impulse gesetzt
worden, die regionalen Blockaden zu überwinden, die durch den
Berg-Karabach-Konflikt seit Anfang der 90er Jahre ins Leben gerufen worden sind:
Zum Beispiel Gespräche darüber, ob man die türkisch-armenische Grenze öffnen
sollte, die 1993 verschlossen wurde. Insofern hat der Georgien-Krieg im
Berg-Karabach-Konflikt einiges in Bewegung gebracht. Ob das allerdings
ausreichen wird, diesen Konflikt jetzt zu lösen, das ist eine andere Frage, denn
in den grundlegenden Positionen stehen sich die Seiten immer noch unversöhnlich
gegenüber. So hat der aserbaidschanische Präsident Ilham Alijew bei seiner
Einführungsrede nach seiner Wiederwahl am 24. Oktober noch einmal deutlich
gemacht, dass von einer Unabhängigkeit Berg-Karabachs von Aserbaidschan keine
Rede sein könne.
Am
Verhandlungstisch in Moskau saßen keine Vertreter von
Berg-Karabach…
Seit 1997 ist Berg-Karabach aus den
Konfliktverhandlungen im Rahmen der Minsker Gruppe ausgeschlossen, auf Drängen
Aserbaidschans. Das ist ein ganz großes Problem. Frieden und Vertrag sind nur
möglich, wenn alle beteiligten Konfliktseiten einbezogen sind. Und natürlich ist
Berg-Karabach eine Konfliktseite.
Die
trilaterale Erklärung erwähnt die Vermittlungsbemühungen der Minsker
OSZE-Gruppe, der neben Russland die USA und Frankreich angehören. Dennoch
entsteht der Eindruck, dass Moskau hier allein
vorgeht.
In der Erklärung wird betont, dass
im Rahmen der Minsker Gruppe verhandelt werden soll. Es ist aber schon richtig,
dass Russland verstärkt versucht hat, sich als Akteur einzubringen. Das ist
nicht besonders günstig. Wenn hier Konkurrenz zwischen den externen
Konfliktbearbeitern entsteht, dann führt das zu nichts. Der
Berg-Karabach-Konflikt kann nur im Zusammenspiel der Minsker Gruppe und mit
verstärkter Einbeziehung der Türkei geregelt werden. Die Türkei hat ein
Interesse daran, dass diese Konflikte entschärft werden, weil in vielen
Konflikten, in ungeregelten Nationalitätenproblemen und ungeregelten
Sezessionskonflikten des postsowjetischen Raumes türkische ethnische Gruppen
einbezogen sind, oder auch Volksgruppen, die in der Türkei selbst eine aktive
Diaspora haben, wie zum Beispiel nordkaukasische Volksgruppen. Es hat keinen
Zweck, dass hier irgendeine Macht einen Alleingang versucht. Sollte Russland
einen Alleingang in Sachen Berg-Karabach suchen, wäre das ziemlich
unsinnig.
Das
Gespräch führte Eleonora
Volodina