Das Thema des Jahres lautet Ukraine-Krieg und die Folgen davon, die zu Energieengpässen und extrem hohe Energiepreisen führen. In der Folge des Krieges hat die EU aus Solidarität gegenüber der ukrainischen Bevölkerung ihre wirtschaftlichen Beziehungen mit Russland abrupt unterbrochen und hat sich auf die Suche nach einem neuem Energie-Partner gemacht. Paradoxerweise ist der neue EU-Energie-Partner ein anderer Aggressor, mit den gleichen territorialen Wahnvisionen.
Der Mann, mit dem die mächtigste Frau in der EU-Politik fröhlich auf der Bühne einer Energiekonferenz letztes Wochenende zusammensaß, hat vor drei Wochen mit seiner Armee völkerrechtswidrig das souveräne Territorium eines unabhängigen Staates angegriffen. Zwar herrscht im Moment „wieder“ Waffenstillstand zwischen Armenien und Aserbaidschan. Aber wenn man den Aggressor Aserbaidschan kennt, weiß man, dass diese Waffenruhe nicht lange halten wird. Ein Teil des armenischen Staatsgebiets ist noch besetzt und Aserbaidschan macht gemeinsam mit seinem engen Verbündeten Türkei Andeutungen, erneut angreifen und noch mehr Gebiete besetzen zu wollen.
Anfang Oktober kursierten in den sozialen Medien Videomaterialien, in den aserbaidschanische Soldaten stolz ihre Gräueltaten öffentlich zeigten. Auf der Plattform Telegram wurden Videos veröffentlicht, wie armenische Gefangene vergewaltigt, hingerichtet, ermordet und ihre Leichen geschändet werden. Eines dieser Opfer war die 36-jährige armenische Soldatin Anush Apetyan, Mutter von drei Kindern. Anush Apetyan wurde vergewaltigt, ihr wurden die Finger abgeschnitten und in ihren Mund gesteckt. Zum aserbaidschanischen Schlachtszenario gehören auch Bilder von armenischen Kriegsgefangenen, die aus kurzer Entfernung erschossen werden. Nach den Schüssen hört man Aserbaidschaner lachen.
Diese Videomaterialien, die von unabhängigen Stellen bestätigt wurden, beweisen ein eindeutiges Kriegsverbrechen. Das ist ein Kriegsverbrechen, die Armenier:innen seit langem kennen. Im Jahr 2020 während des jüngsten Karabach-Krieges, aber auch in den Jahren davor wurden ähnliche Kriegsverbrechen begangen und zweifelsfrei nachgewiesen.
Am Rande des gestrigen Europa-Gipfels in Prag haben Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, der EU-Ratspräsident Charles Michel und die Staatschefs der Republik Armenien und Aserbaidschan Gespräche geführt, die zum Frieden in der Region beitragen sollen. Die Republik Armenien erklärte sich bereit eine zivile EU-Mission entlang der Grenze zu Aserbaidschan zu ermöglichen. Die zweimonatige EU-Mission wird auf die armenische Seite der Grenze im Oktober entsandt. In Rücksicht auf alle bis dato entsandten Beobachter und Friedensmissionen, betrachten wir als Armenier solche kurzfristige Maßnahmen seitens der Weltgemeinschaft als unzureichend, um den Frieden aufrechtzuerhalten.
Der Zentralrat der Armenier in Deutschland (ZAD) verurteilt dieses Kriegsverbrechen scharf und erwartet eine klare und angemessene Haltung seitens der deutschen Politik. Die aserbaidschanischen Völkerrechtsbrüche dürfen nicht unbestraft bleiben. Das Menschenleben und die Menschenwürde kennen keine Doppelmoral. Aus diesem Grund erwarten wir die gleiche politische Solidarität gegenüber dem armenischen Volk, die dieses Jahr trotz der großen wirtschaftlichen Folgen der Ukraine gezeigt wurde.
Pressekontakt: Silva Ajderian, Mitglied des ZAD-Vorstands