Mannheim auf türkisch

Die Stadt Mannheim will ein mehrheitlich von Türken bewohntes Viertel offiziell umbenennen. Ein türkischer Name muss her: Auch so kann man Integration offenbar interpretieren – die Bürger ohne Migrationshintergrund, die geblieben sind, werden eben einfach „umgesiedelt“, nach Little Istanbul etwa, oder nach Kücük Istanbul oder nach Beyoglu.

Der Zentralrat der Armenier in Deutschland (ZAD) fragt sich zudem, ob die Verantwortlichen in der Stadtverwaltung darüber nachgedacht haben, wie viele nichttürkische und/oder nichtislamische Migranten aus der Türkei in dem Viertel leben, die froh sind, den Repressalien in ihrer alten Heimat entkommen zu sein und eine neue Heimat in Deutschland gefunden zu haben: Armenier, Kurden, Assyrer, Aleviten, Griechen, Yeziden.
 
Im Übrigen weist der ZAD darauf hin, dass die Umbenennung traditionsreicher geografischer Namen eine gern gepflegte türkische Übung ist, die nun augenscheinlich auch in Deutschland Früchte trägt. Das hat in den Jahren des jungtürkischen Komitees für Einheit und Fortschritt, das den Völkermord an den Armeniern plante und exekutierte, begonnen und setzt sich bis in die jüngste Gegenwart fort. Vor allem die alten armenischen und griechischen Namen wurden fast vollständig ausradiert und türkisiert, betroffen sind nicht nur Ortsnamen, sondern ebenso Flüsse, Berge und viele andere geografische Einheiten.  Allein 16.000 Dörfer wurden umbenannt: Nichts erinnert mehr an die alten Bewohner, selbst Inschriften und andere historische Zeugnisse früherer Zeiten wurden vernichtet.
 
Die Mannheimer Pläne, so der ZAD, haben zwar keinen derartigen ethnozidalen Hintergrund. Sie sprechen aber dafür, dass Integration weder auf Seiten der Stadt noch auf Seiten der beteiligten Bewohner des Viertels wirklich ernst genommen wird. Und, schlimmer, beide Seiten fördern die Abkapselung einer Gruppe von Einwanderern gegen andere und gegen die verbliebenen Deutschen. Das erinnert leider fatal an die Vorgänge in der Türkei: Das Dorf trägt einen türkischen Namen, es ist türkisch, nur Türken haben Anspruch auf das Dorf. Der ZAD-Vorsitzende Azat Ordukhanyan: „Wie würden wir wohl in der Türkei behandelt, wenn wir nicht einmal ein neues armenisches Viertel in Istanbul forderten, sondern einfach nur die alten Namen unserer Dörfer wiederhaben wollten?“
 
Mit freundlichen Grüßen
 
Vorstand des Zentralrats der Armenier in Deutschland
 
Frankfurt am Main
 
28.03.2012