Erklärung Ali Atalans (Die Linke) zum 97. Jahrestag des Völkermords an den Armeniern

Ali Atalan, Landespolitiker (Die Linke) in Nordrhein-Westfalen, hat eine Erklärung zum türkischen Völkermord an den Armeniern herausgegeben, die wir Ihnen gern zur Kenntnis geben. Fazit seiner Ausführungen:

 „Ich unterstütze die Forderung der Opfer, dass die Regierungen aller Länder den Völkermord an den Armeniern von 1915 sowie an den Assyrern, Aramäern, Eziden und Griechen während der Zeit des Osmanischen Reiches rechtlich verbindlich anerkennen und seine Leugnung strafrechtlich unterbinden.“

Der Zentralrat der Armenier in Deutschland (ZAD) begrüßt dieses klare Bekenntnis zur historischen Wahrheit und zu den notwendigen politischen Konsequenzen. Wenn Atalan programmatisch die Behandlung dieses Völkermords in den Geschichtsbüchern nordrhein-westfälischer Schulen einfordert, deckt sich das mit den Forderungen, die der ZAD seit vielen Jahren an die Politik in Bund und Ländern richtet.

Mit freundlichem Gruß

Azat Ordukhanyan

Vorsitzender des Zentralrats der Armenier in Deutschland
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Erklärung Ali Atalans (Die Linke) zum 97. Jahrestag des
Völkermords an den Armeniern

 Zum 97. Jahrestag des Völkermords  an den Armeniern im osmanischen Reich müssen wir offen über die systematische Verfolgung und Ermordung von Hundertausenden Armeniern, Assyrern-Aramäern, Griechen sowie Eziden sprechen; Verbrechen, von denen die Verantwortlichen in der Türkei nichts hören wollen. Dies steigert den Schmerz der Überlebenden und ihrer Angehörigen ins Unermessliche.
 
Die Türkei versucht seit nahezu 100 Jahren, im Namen des Patriotismus ein verbrecherisches staatliches Handeln zu leugnen. Die Folge ist, dass Unrecht sich auf Unrecht häuft: Unrecht gegenüber den Opfern und Unrecht gegenüber ihren Nachfahren. Ein solcher Umgang mit den Opfern macht auch deren Nachfahren erneut zu Opfern.
 
Die Gefühle dieser Menschen können wir uns nicht vorstellen, wenn sie sehen müssen, wie sogar Druck auf andere Staaten ausgeübt wird, damit diese das Verbrechen nicht beim Namen nennen. Die Opfer dieser systematischen Morde, des Leidens, der Vertreibung, der Trennung, des Elends und der Diaspora müssen endlich verstanden werden.
 
Das Verhalten der Regierenden in der Türkei ist nichts anderes als ein kontinuierlicher, fortgesetzter Mord an der armenischen Geschichte und Identität und beeinträchtigt das Leben aller Angehörigen dieses Volkes.
 
97. Jahre nach dem Genozid kann sich die Weltgemeinschaft immer noch nicht dazu durchringen, der türkischen Regierung entschlossen den Spiegel der Geschichte vorzuhalten. Dies macht deutlich: Die Anerkennung von Völkermorden darf keine Frage der Politik bleiben; die Reaktion auf das Leugnen von Völkermorden darf nicht mehr der Diplomatie überlassen werden, welche aus ökonomischen und geopolitischen Interessen heraus handelt.
 
Völkermorde sind Verbrechen und ihre Leugnung muss ebenfalls eine strafbare Tat sein. Ein begrüßenswertes Gesetz, das in Frankreich die Leugnung von Völkermorden unter Strafe stellte, wurde Ende Februar leider vom französischen Verfassungsrat für unzulässig erklärt, mit Verweis auf die Meinungsfreiheit. Diese Entscheidung steht meiner Meinung nach in direktem Widerspruch zum Rahmenbeschluss des Rates der EU-Justizminister vom 20. April 2007 zur Bekämpfung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit. Der Beschluss sah die Angleichung der nationalen Rechtsprechung vor, um unter anderem die öffentliche Billigung, Leugnung oder grobe Verharmlosung von Völkermord und Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen unter Strafe zu stellen.
 
Gerade vor dem Hintergrund der deutschen Geschichte sollten wir das Verhalten der türkischen Regierung in dieser Frage nicht hinnehmen. Besonders vor dem Hintergrund, dass Deutschland während des Völkermords im Osmanischen Reich ein Verbündeter der Täter war, gibt Deutschland eine umso größere Verantwortung, aktiv auf eine Aufarbeitung der osmanischen Vergangenheit zu drängen.
 
Die Behandlung dieses Völkermords in den Geschichtsbüchern nordrhein-westfälischer Schulen wäre ein gutes Signal.
 
Uns ist klar: Die Leugnung jeden Völkermords ist gleich zu bewerten, weil die Menschenleben, die in Genoziden vernichtet werden, den gleichen Wert besitzen. Die gleichen, strengen Regelungen, die hinsichtlich der Leugnung des Holocaust gelten, müssen daher auch auf andere Völkermorde, wie jenen an den Armeniern, Anwendung finden. Das Leiden des armenischen Volkes darf nicht länger in einem zynischen diplomatischen Spiel der internationalen Beziehungspflege und den Wirtschaftsinteressen geopfert werden.
 
Ich unterstütze die Forderung der Opfer, dass die Regierungen aller Länder den Völkermord an den Armeniern von 1915 sowie an den Assyrern, Aramäern, Eziden und Griechen während der Zeit des Osmanischen Reiches rechtlich verbindlich anerkennen und seine Leugnung strafrechtlich unterbinden. Dies ist das Mindeste, was den Opfern und ihren Nachfahren geschuldet wird: Anerkennung ihres Leidens, ihrer Toten, ihrer Trauer, ihrer Würde.