Offener Brief an den Bundespräsidenten Herrn Christian Wulff : ZAD fordert Freilassung von Familie Zarakolu

Sehr geehrter Herr Bundespräsident, in diesen Tagen feiert die Bundesrepublik gemeinsam mit der Türkei den 50. Jahrestag türkischer Migration nach Deutschland. Wir führen seit langem einen intensiven öffentlichen Diskurs über Fragen der Integration, über Versäumnisse und Chancen einer gemeinsamen Zukunft in Europa. Umso mehr erschüttern uns immer wieder Berichte von willkürlichen Verhaftungen türkischer Intellektueller durch die Justiz in Ankara.

Nun hat es also den renommierten Menschenrechtler und Verleger Ragip Zarakolu und seinen Sohn Deniz Zarakolu getroffen, die in ihrem Belge-Verlag gewagt haben, kritische Literatur etwa zum türkischen Völkermord an den Armeniern oder zur türkischen Kurdenpolitik zu veröffentlichen.

Offenbar geht gerade eine Verhaftungswelle durch das Land am Bosporus, die vermutlich mit den aktuellen Auseinandersetzungen um die PKK zu tun hat. Wir dürfen die Augen nicht verschließen vor einer Entwicklung, die tatsächliche oder vermeintliche Terrorgefahren zum Vorwand nimmt, kritische Intellektuelle in der Türkei mundtot zu machen. Und schon gar nicht dürfen wir im Taumel der derzeitigen Jubiläumsfeiern zu solchen undemokratischen Vorkommnissen schweigen.

Daher bittet der Zentralrat der Armenier in Deutschland (ZAD) Sie eindringlich, Ihren ganzen Einfluss geltend zu machen und sich für die sofortige Freilassung und Rehabilitierung Ragib Zarakolus – und seines Sohnes Deniz - einzusetzen. Spätestens seit der Ermordung unseres Landsmannes Hrant Dink wissen wir, wie gefährlich solche rechtlich haltlosen Maßnahmen der Justiz eskalieren können. Wir müssen nach diesen Erfahrungen um das Leben der Verhafteten bangen.

Die Türkei setzt wieder einmal ihr internationales Prestige aufs Spiel. Nachdem Ankara bereits gedroht hat, die Aufnahmeverhandlungen mit der EU auszusetzen, schwinden nun anscheinend alle Hemmungen gegenüber der internationalen Staatengemeinschaft. Bitte fordern Sie von Ihrem Präsidentenkollegen in Ankara, das Recht wieder in Kraft zu setzen.

Mit freundlichem Gruß

Azat Ordukhanyan
Vorsitzender des Zentralrats der Armenier in Deutschland
Frankfurt am Main
31.10.2011